: Das Sozialamt war viel zu menschlich
Mit einem Kredit wurde einer Sozialhilfeempfängerin und Mutter eine gerichtliche Geldstrafe bezahlt / Jetzt dreht die Staatsanwaltschaft durch und ermittelt gegen das Amt wegen Strafvereitelung / Der „Anspruch des Staates auf Strafverbüßung“ wird eingeklagt ■ Von Ulrike Helwerth
Berlin (taz) - Weil das Düsseldorfer Sozialamt einer Mutter von drei Kindern den Knast ersparte, hat es nun ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Strafvereitelung und Untreue am Hals. Der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft war nämlich vor kurzem zu Ohren gekommen, daß das städtische Amt einer Sozialhilfempfängerin die Strafe bezahlt hatte, die ein Gericht gegen sie verhängt hatte. Die Frau, Mutter von drei Kindern im Alter von zwei, elf und 14 Jahren, war wegen Betrugs zu 30 Tagessätzen von 30 Mark verurteilt worden. Da die Zahlungen ausblieben, setzte man ihr vor einigen Tagen einen Termin, um die Strafe abzubrummen. Doch anstatt im Knast vorstellig zu werden, präsentierte die Verurteilte eine kurze Erklärung des Sozialamts, das für die Strafe aufkommen wollte.
Die Staatsanwaltschaft, will deshalb prüfen, ob hier von Amtswegen „der Anspruch des Staates auf Strafverbüßung“ hintertrieben wurde, wie Oberstaatsanwalt Jochen Ruhland der taz erklärte. Beim Düsseldorfer Sozialamt will man von Strafvereitelung hingegen nichts wisen. Dort sei man nur „in Vorlage getreten“, so Sozialamtsleiter Rainer Rohstock. Man habe der Frau mit einem Darlehen helfen wollen. Das vorgeschossene Geld werde in Raten wieder von der Sozialhilfe abgezogen.
Da der Strafantritt drohte, sei Eile geboten gewesen, daher sei das amtliche Schreiben knapp und für die Staatsanwaltschaft offenbar mißverständlich ausgefallen. Nie sei dem Sozialamt daran gelegen gewesen, „das Urteil im Namen des Volkes außer Kraft zu setzen“, beteuerte Rainer Rohstock.
Nach Ansicht des Sozialamts wird die Strafe auf jeden Fall eingelöst, wenn auch mit „gesellschaftlich geringerem Aufwand“. Denn wenn die Frau in Haft genommen worden wäre, hätten die Kinder für diese Zeit in einem Heim untergebracht werden müssen. Kosten, die die Strafe um ein Vielfaches übersteigen. Ganz zu schweigen von den psychischen Schäden, die solch eine Maßnahme in der Familie angerichtet hätte.
Im Düsseldorfer Sozialamt gibt man sich bisher zuversichtlich, daß sich die Geschichte in einem klärenden Gespräch mit der Staatsanwaltschaft doch noch gütlich beilegen läßt. Ob die Staatsanwaltschaft jedoch humanitären Gründen den Vorrang gibt, ist offen.
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