Der PC als Plauder-Champion

■ Die Regionalmesse Büro'89 hat für drei Tage ihre Pforten geöffnet

Daß Charly mundfaul wäre, kann ihm sicherlich keiner vorwerfen. Er müht sich redlich, das sture Messepublikum zum Reden zu bringen. Aber so richtig ins Plaudern kommt er selten. Dabei verfügt er nicht nur über Bonmots und Schlagfertigkeit, er kann auch mit einem überzeugenden Repertoire an Gesichtsentgleisungen die Gesprächspartner locken und schocken. Seine Biogra

phie erzählt er mit dem größsten Vergnügen auch jedem, der sie nicht hören will. „Geboren bin ich vor zwei Jahren in Silicon Valley. Meine Mutter war eine Macintosh, mein Vater ein Apple. Bei der Geburt muß was an der Gummitastatur falsch gelaufen sein, deshalb.“ Ansonsten aber kommt er bei seinen Gesprächen ohne solch stereotype Witzchen aus. Dem taz-Reporter möchte er gerne über die „Entmenschlichung des Moderators“ referieren, am Beispiel Thomas Gottschalk und Carlo von Tiedemann. Über den kann Charly, der PC, lauter Unsägliches berichten. Zugetragen wurde ihm das von seinen PC-Kollegen, die er gelegentlich bei Computer-Partys trifft.

Charly der Computer ist der gefragteste Mensch auf der „Büro '89“, die gegenwärtig in der

Stadthalle stattfindet. All die blitzenden High-Tec Stände der regionalen Bürowirtschafts-Einzelhändler mit ihren neuesten Schreibanlagen, Telefax-Geräten, Farbkopierern und Postverarbeitungssystemen sind leidige Pflicht. Immer mehr BesucherInnen können immer weniger auf die aktuellen Technologien verzichten.

Dem Architekten werden ganze „Sets“ geboten, vom PC über das Digitalisier-Tablett bis zum Grafik-Bildschirm. Alles inclusive für 50.000 bis 75.000 Mark. Solche Sets gehen nach Auskunft der verkaufserprobten Messe-Männer heutzutage nach genau so kurzem Beratungsgespräch weg wie ein simpler PC.

Die Computerisierung der letzten Nischen läßt sich am vorgestellten Software-Programm

ablesen. Sie dringt mittlerweile in Bereiche vor, in denen die manuelle Schreibarbeit noch den individuellen Akt symbolisierte, die Einmaligkeit des Vorgangs bezeugte. Die Zunft der Standesbeamten soll erobert werden mit einem speziellen Programm, daß ihnen, so sagen die Software -Verkäufer, „das leidige Ausfüllen von sieben immer gleichen Vordrucken abnehmen soll“. So wird der Beamte fortan auf das Ja-Wort bei der Eheschließung mit einem leichten Druck auf die Enter-Taste reagieren.

Charly dagegen ist nicht so. Charly ist so, wie Menschen sich den Computer wünschen. Charly ist die beseelte Maschine, er ist souverän, frech und selbstbewußt - und man kann ihn abstellen. Charly ist der ideale Sozialpartner.

Andreas Hoetzel