: 500 Mark für Allchemie bei Schweinefleisch
■ Die Kasseler-Produktion der Bremer Räucherfleisch GmbH vor Gericht / Wie man „Wasser schnittfest macht“
Am Anfang stand ein Bußgeldbescheid von 2.000 Mark, ergangen gegen den Räuchermeister der Bremer Räucherfleisch GmbH wegen eines Verstoßes gegen das Lebensmittelgesetz. Dankenswerterweise, so muß man sagen, legte der gelernte Fleischermeister, seit sechs Jahren in Diensten der einzigen Bremer Kasseler-Produktions-Firma, Widerspruch ein. Denn so kam es zum öffentlichen Gerichtsverfahren und zur Verhandlung der alltäglichen Fleisch-Behandlung mit Fremdstoffen. Aktenkundig war die Firma geworden, weil sich in den letzten beiden Jahren die Beanstandungen gehäuft hatten. Aus allen Teilen der Bundesrepublik hatten Lebensmittelkontrolleure, die in den Kasseler-Produkten aus Bremen einen zu geringen Fleischeiweißgehalt, überhöhte Fremdwasseranteile und unzulässige Diphosphat-Präparate in den Proben entdeckt hatten, die hiesige Staatsanwaltschaft eingeschaltet.
Wieviel Unappetitliches sich hinter dem im Fachjargon verbrämten Produktionsablauf verbirgt, machten die Zeugenvernehmungen deutlich. Auf einem kleinen Förderband werden die einzelnen Kasseler-Stücke zum
„Injektor“ transportiert. Die Maschine fährt mit 98 Nadeln ins Fleisch und injiziert die Pökellake:Geschmacksverstärker, Gewürze, Salpeter-Ansatz für die richtige Farbe und Nitritpökelsalz. Fremdwasser, dem Fleisch in einem Anteil von bis zu 50 Prozent des Eigengewichts zugespritzt. Und ab und zu sind eben auch Diphosphate in dem Gemisch dabei. „Die sind für da, daß man das Wasser schnittfest macht“, wie der angeklagte Räuchermeister in aller Treuherzigkeit dem Gericht erklärt. So werden aus 10 Kilogramm Fleisch 15 Kilogramm Kasseler Kotelett oder Kasseler Nacken. Die lebensmittelrechtlichen Ausführungsbestimmungen der Länder aber setzen Höchstgrenzen für Fremdwassereinspritzung fest, die weit unter den festgestellten Werten der Bremer Räucherfleisch GmbH liegen. Bremen gesteht eine Toleranzgrenze zwischen 5 bis 8 Prozent zu, gefunden wurden Fremdwassermengen bis zu 32 Prozent.
Die Spritzmaschine für die Lake muß mit Menschenhand auf den gewünschten Fremdwasseranteil eingestellt werden. Wer das Gerät bedient, so will es das Gesetz, übernimmt auch die Mitve
rantwortung für die Einhaltung des Lebensmittelgesetzes. Bei der besagten Firma standen hier ungelernte Arbeiter. Männer, die Anweisungen ausführten oder gefeuert wurden. „Herr K. hat gesagt, ich soll mehr reinspritzen. Dann hab‘ ich das gemacht,“ so einer der Zeugen vor Gericht. Herr K. aber war Geschäftsführer der Firma. Keiner, der selber ständig Hand anlegte, der aber
nach übereinstimmenden Aussagen täglich kontrollierte und die Einspritzmenge nach oben schrauben ließ. Seine Argumente waren die Betriebskosten: „Ihr müßt mehr spritzen, wovon sollen wir Euch sonst am Monatsende bezahlen.“
Der Räuchermeister, ebenfalls unter der Fuchtel des K., wurde gestern zu einer Geldbuße von 500 Mark verurteilt. Auf den Ge
schäftsführer, der mittlerweile eine eigene Räucher-Firma betreibt, warten derweil noch weitere Strafverfahren in Sachen Fleisch-Verunreinigung. So bleibt zu hoffen , daß den modernen Alchimisten von der Bremer Räucherfleisch GmbH die Lust vergangen ist, aus Schweinen Gold zu machen und die VerbraucherInnen zu prellen.
Andreas Hoetzel
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