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Solidaritätsa(u)ktion für Ingrid Strobl

■ 22.800 Mark für Kunst sind 22.800 Mark für Ingrid Strobls Prozeßkosten

Eine Solidaritätsauktion als materielles Ergebnis mehrerer Solidaritätsaktionen für Ingrid Strobl und gegen den Paragraphen129a - das war die Idee von Annette Frick aus Köln. Wer die 32jährige Fotografin und Künstlerin kennt, weiß, daß sie ihre Ideen auch umsetzt. 1986, als erstmals eine große städtische Ausstellung Kölner Nachwuchskünstlern gewidmet war, die Jury aber viele eingereichte Arbeiten aussonderte, organisierte Annette kurzfristig den „Neidhammel“, wo die ausjurierten Arbeiten zu sehen waren, als Beweis für die Willkürlichkeit der Jury.

1987 mußte das inzwischen legendäre Stollwerk, das zuletzt vielen Künstlern Arbeits- und Aufführungsräume bot, der Abrißbirne weichen. Das nach heftigen Kämpfen der Stadt abgerungene ehemalige Speditions- und Lagerhaus Rhenania am Rheinhafen wurde zum freien Kunsthaus Rhenania, wo Frick mit anderen den „Hafensalon“ gründete. Im Programm heißt es: „Wir geben uns nicht mit der Kunstproduktion zufrieden, wir wollen der Kunst ihre gesellschaftliche Sprengkraft zurückerobern. Wir kämpfen gegen Verantwortungslosigkeit und Beliebigkeit der sogenannten Moderne, die nur noch Pseudokunst produziert.“

Was sich so abstrakt und plakativ anhört, nahm im Falle des Engagements für Ingrid Strobl sehr konkrete Formen an. Noch während des Prozesses ging Annette Frick mit den beiden anderen Frauen des „Hafensalons“, Doris Frohnapfel und Gaby Kutz zur Mammutschau der Moderne, dem umstrittenen „Bilderstreit“: Am 21. April entrollten sie vor dem Beuys -Objekt mit der Aufschrift „Dürer, ich führe persönlich Baader und Meinhof durch die Dokumenta V, J. Beuys“ das Transparent „Wir würden auch gerne Ingrid Strobl durch 'Bilderstreit‘ führen“. Bevor sie von den Wärtern rausgeschmissen wurden, konnten sie ihre Aktion noch fotografieren.

Nach der Verurteilung von Ingrid Strobl nach Paragraph129a im Juni plante sie wiederum, Solidarität mit Kunst so zu verbinden, daß außer Öffentlichkeit auch noch Geld für die Prozeßkosten zusammenkam.

Zusammen mit Doris Frohnapfel und Wilhelm Hein bat sie ab Anfang Juni telefonisch, schriftlich und zu Fuß an die hundert bildende KünstlerInnen und SchriftstellerInnen um Werke, die frau für Ingrid Strobl versteigern könnte. Einige lehnten ab, andere - darunter auch prominente Namen wie C.O. Paeffgen, Rune Mields, Felix Droese - spendeten. Angela Räderscheidt und Barbara Manz malten eigens Bilder für Ingrid Strobl.

Die Versteigerung sollte zusammen mit einem Fest Anfang September im Kunsthaus Rhenania stattfinden. Aber es fand sich kein professioneller Auktionator, der ausdrücklich wie die OrganisatorInnen es verlangten - den Zweck der Versteigerung wissen und erwähnen wollte. So gab es zuerst ein Fest ohne Auktion mit Rockmusik, Lyrik und Informationen zum Paragraphen129a und zwei Wochen später die Auktion im „Hafensalon“. Als Versteigerer hatte sich Rechtsanwalt Louis Peters bereit erklärt, der selbst Kunst und anderes sammelt, darunter Reliquien und Heilwasser. Er erwähnte Ingrid Strobl nur in seiner kurzen Einführung und sprach danach, wenn er BieterInnen animieren wollte, nur noch vom „guten Zweck“.

Nur einige der Werke erzielten mehr als den vorab festgesetzten, dem Marktwert der Künstler Rechnung tragenden Preis. Ein Foto von Thomas Hesterberg (ein Vintage-Print), das Rudi Dutschke ablichtet, wie er vollbepackt einen Berliner plus-Markt verläßt, war mit 350 Mark angesetzt und ging für 500 Mark unter den Hammer. Drei Holzplastiken der Wienerin Mara Matuschka, die Schwänze berühmter Männer gingen zusammen für 300 Mark weg, also hundert Mark pro Schwanz. Die Objekte für 5.000 Mark aufwärts fanden noch keine Käufer unter dem zwar interessierten und engagierten, aber nicht so betuchten Publikum.

Immerhin erbrachte die Solidaritätsauktion 22.800 Mark, dazu 3.000 Mark Einnahmen vom Fest. Mit den verbliebenen Werken plant der „Hafensalon“ seine nächste Aktion: eine freie Versteigerung auf dem renommierten Kölner Kunstmarkt „Art Cologne“ im Oktober. Dort werden genug interessierte KäuferInnen anwesend sein, die sich die Schnäppchen nicht entgehen lassen - auch wenn sie damit etwas für Ingrid Strobl tun.

Ingeborg Braunert

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