Den „Republikanern“ eine Gasse geschlagen

■ Die Kölner Polizeiführung ist nach einem umstrittenen Einsatz bei einer Veranstaltung der REPs völlig isoliert / Klärung der Vorwürfe erst nach der Kommunalwahl?

Köln (taz) - „Sabine hat noch zwei Tage später Weinkrämpfe erlitten“, berichtet die Mutter der 15jährigen Schülerin. Und auch andere Demonstrationsteilnehmer brauchten eine ganze Zeit, um den Polizeieinsatz psychisch zu verarbeiten. Beim Schutz einer „Republikaner„-Veranstaltung war es in Köln am Mittwoch vergangener Woche zu heftigen Übergriffen der Polizei gekommen. Während die Teilnehmer einer Anti-REP -Demonstration ihre Vorwürfe vorgestern noch einmal im Regionalfernsehen präzisierten, weicht die Kölner Polizeiführung einer klaren Stellungnahme aus. Nach zahlreichen Augenzeugenberichten, die in der vergangenen Woche zusammengetragen wurden, vielen Fotos und Filmaufnahmen stellt sich der Ablauf des Polizeieinsatzes jedoch recht eindeutig dar.

Vor einem Veranstaltungslokal im Kölner Norden hatten sich gegen 18 Uhr etwa 300 Demonstranten versammelt, um eine Wahlkampfveranstaltung der „Republikaner“ zu verhindern.

Polizeiliche Übergriffe

Die Polizei drängte in einer ersten Aktion die Blockierer auseinander und bildete für die Besucher der Wahlveranstaltung eine Gasse. Bis dahin verliefen die Auseinandersetzungen ohne größere Zwischenfälle, etwa ein Dutzend Interessierte gelangten in den Saal. Dennoch forderte die Einsatzleitung die beidseitig der Gasse stehenden Demonstranten auf, den gesamten Bereich freizumachen. Unmittelbar nach der dritten Aufforderung drangen bewaffnete SEK-Beamte auf die Demonstranten vor und schlugen ohne Zögern wahllos auf die Umstehenden ein. Mehrere Demonstranten brachen sofort zusammen oder wurden zu Boden geworfen; im Fernsehen gezeigte Filmaufnahmen belegen, daß auf die am Boden Liegenden eingetreten wurde; von drei bis vier Beamten Festgehaltene bekamen Tritte an den Kopf und Faustschläge in die Genitalien. In Minutenschnelle wurde auf diese Weise der Bereich vor dem Lokal geräumt. Kurze Scharmützel im Anschluß an die Räumung, bei denen auch vereinzelt Steine und Flaschen von Demonstranten geworfen wurden, bildeten den Abschluß des ersten Aktes der Auseinandersetzung.

Tritte an Kopf und

in Genitalien

Ein großer Teil der Auseinandergetriebenen sammelte sich dann abseits des Lokals zu einem Demonstrationszug durch den Stadtteil. Kaum hatten sie sich in Bewegung gesetzt, rasten Polizeiwagen mit SEK-Beamten hinter ihnen her. Es begann eine Treibjagd durch die Straßen, in deren Verlauf die Polizei schließlich 28 Menschen einkesselte und auf die Polizeiwache verfrachtete. Hier wurden den meisten Jugendlichen, viele von ihnen 14, 15 und 16 Jahre alt, die Ausweise abgenommen, Taschen, Ohrringe, Schnürbänder, Schuhe. Zu ihrem eigenen Schutz, wie es hieß. Jetzt kämen sie „in die Gaskammer“, wurde ihnen zwischendurch von einem der Beamten mitgeteilt. Keinem der Festgenommenen wurde erlaubt, mit Eltern oder einem Rechtsanwalt zu telefonieren, ab abends halb zehn saßen alle in den Zellen. Zur „Verhinderung weiterer Straftaten“, lautete die Begründung. Erst Stunden später wurden die „potentiellen Straftäter“ freigelassen, die letzten wurden gegen 1 Uhr früh von ihren Eltern in Empfang genommen; mehr als zwei Stunden hatten sie vor dem Polizeipräsidium warten müssen, ohne daß sie Kontakt mit ihren Kindern hätten aufnehmen dürfen. Nachdem der erste Schock über den Knüppeleinsatz und die Verhaftungen abgeklungen ist, überlegen die Betroffenen, wie sie die Verantwortlichen für den Einsatz zur Rechenschaft ziehen können.

Polizei verteidigt sich

Nach vorsichtigen Distanzierungen seitens der SPD und harscher Kritik durch die Grünen scheinen die Chancen für die amtliche Klärung der Polizeiübergriffe zu steigen. Die Polizeiführung verteidigt jedoch den Einsatz nach wie vor und führt, unterstützt von der Kölner CDU, das Argument an, die „Republikaner“ hätten als zugelassene Partei ein verbrieftes Recht auf Durchführung ihrer Veranstaltungen. Den konkreten Vorwürfen, die Einsatzleitung habe für die Rechtsradikalen mit brutaler Gewalt das Demonstrationsrecht zerschlagen, weichen die Polizeiführer aus.

Der Leiter der Kölner Schutzpolizei, Häring, sah sich in einer Fernsehdiskussion mit betroffenen Jugendlichen weder veranlaßt, die Körperverletzungen durch die Polizeitäter zu bedauern, noch mochte er sich für die stundenlange „Schutzhaft“ entschuldigen. Mit Dienstaufsichtsbeschwerden und Strafanzeigen wollen Demonstrationsteilnehmer und Eltern der verhafteten Jugendlichen deshalb die Klärung der Vorwürfe gegen die Polizeibeamten erzwingen. „Ob wir damit die Absicht der Polizei nachträglich durchkreuzen können, wissen wir nicht“, meinte ein Vertreter des Ermittlungsausschusses. „Wir könnene uns jedenfalls des Eindrucks nicht erwehren, daß mit dem Einsatz besonders die Bereitschaft von Jugendlichen zerstört werden sollte, sich gegen Rechtsradikale und Faschisten zu engagieren.“