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DDR-Minister: Frieden gefährdet

■ DDR-Grundsatzerklärung vor der UNO: Sorge um Souveränität der DDR / Flüchtlingsstrom ungebrochen

Berlin (dpa/ap/taz) - Vor der UNO-Generalversammlung in New York beschuldigte gestern DDR-Außenminister Oskar Fischer die Bundesregierung der „Friedensgefährdung“. Bonn ziehe die Grenzen in Zweifel, maße sich „unter dem Deckmantel der Humanität unter Verletzung der Hoheitsrechte anderer Staaten eine sogenannte Obhutspflicht für deren Bürger an“. In der als Grundsatzerklärung deklarierten Rede warnte Fischer auch vor Versuchen, den Sozialismus als Gesellschaftsordnung beseitigen zu wollen. Es müsse besorgt machen, daß die Angriffe gegen die staatliche Souveränität und „die Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten“ zunähmen. Dies müsse Konflikte provozieren, „die die Zusammenarbeit im Herzen Europas untergraben, sogar den Frieden gefährden“. Die nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Realitäten müßten anerkannt werden. Zu den europäischen Realitäten gehöre die Existenz zweier souveräner deutscher Staaten. „Wer Stabilität in Europa will, der weiß es zu würdigen, daß an der Grenze der beiden größten Militärallianzen ein Staat besteht, dessen oberste Maxime ist: Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg, sondern nur noch Frieden ausgehen.“

Auch DDR-Staatssicherheitsminister Erich Mielke hat am

Freitag der Bundesrepublik vorgeworfen, in der DDR eine

„antisozialistische Opposition“ etablieren zu wollen.

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Nach einem Bericht des 'Neuen Deutschland‘ sagte Mielke, die DDR wolle die Errungenschaften des Sozialismus nicht zunichte machen lassen. Zugleich griff er das 'Neue Forum‘ an. Die Mitbegründerin des Neuen Forums, Bärbel Bohley, warnte bundesdeutsche Politiker unterdessen davor, die Oppositionsgruppen der DDR für „ihre Politik zu vereinnahmen“.

Frieden mit dem eigenen Land hat in der DDR immer noch schlechte Konjunktur. Die Situation in den Bonner Vertretungen in Prag und Warschau war auch gestern unverändert. Immer noch kletterten ganze Gruppen über den Zaun in die Prager

Botschaft. Die Zahl der DDR-Müden wird jetzt mit mehr als 2.600 angegeben. Und nach wie vor nahmen nur einzelne das Rückreise- und Ausreiseangebot der DDR an.

CSSR-Regierungssprecher Pavel wies darauf hin, der Flüchtlingsansturm werde „langsam zum Problem der öffentlichen Ordnung in Prag“. Für die Umstände in der Botschaft fand er die Worte: „sehr ernst“, das Angebot des DDR-Anwalts Vogel nannte er „realistisch“. „Wir dürfen nicht überdramatisieren oder Flüchtlingslager aufbauen, während wir auf andere Lösungen warten“, sagte er.

Die Bundesregierung sieht nach den Worten der Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Irmgard Adam -Schwaetzer, derzeit keine Lösungsmöglichkeiten für die Botschaftsbe

setzer. Ihrem Eindruck nach soll auch Vogel seine Mission als abgeschlossen betrachten. Die Gespräche von Außenminister Hans-Dietrich Genscher mit CSSR-Außenminister Jaromir Johanes und dem sowjetischen Außenminister Eduard Schewardnadse in New York konnten zur Klärung der Flüchtlingsschicksale offenbar auch nicht viel beitragen. Schewardnadse soll versprochen haben, daß er sich im Kontakt mit den anderen Regierungen um eine Verbesserung bemühe.

Die Bonner Vertretung in Warschau wird inzwischen von über 600 ausreisewilligen DDRlern bevölkert. Bis gestern Mittag war dort kein DDR-Bürger dem Angebot des DDR-Unterhändlers Vogels gefolgt, nach seiner Rückkehr in die DDR binnen sechs Monaten in den

Westen ausreisen zu dürfen.

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