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„Zwei, drei werden da immer stehen“

■ Allgemeine Zufriedenheit über die Akzeptanz der neuen Busspuren bei Autofahrern / Kaum Probleme mit Falschparkern, aber mit der Ausnahmeregelung für den Lieferverkehr / Rabiater Baumkahlschlag an der Budapester Straße

BVG-Abteilungsleiter Heinz Oestreich wird fast schwärmerisch: „Das ist ein schönes Bild, da kann der Bus am Stau vorbeifahren.“ Tatsächlich zieht der 54er auf seiner neuen Extraspur am Spandauer Damm souverän rechts an uns vorbei. Kutschiert von einem Oberverkehrsmeister im Dienst -Golf, ließ es sich der bei der BVG für die Busspurenplanung Verantwortliche gestern nicht nehmen, selbst die neuen acht Kilometer Sonderfahrstreifen für die „Großen und Kleinen Gelben“ auf ihre Funktionsfähigkeit hin zu inspizieren. Erster Premiereneindruck nach der frühmorgendlichen Rundreise durch einige Bezirke: Die meisten der neuen Busschneisen sind erfreulicherweise frei von der automobilen Konkurrenz. Oestreich befriedigt: „Für den ersten Tag sieht's wirklich sehr gut aus. Man muß sehen, ob die Akzeptanz bleibt oder sich wieder eine Schludrigkeit einstellt.“

Fast alle Busspuren wurden gestern von ungewöhnlich vielen Verkehrsüberwachern der BVG und der Polizei beäugt, darunter je zwei Polizeiangestellte in 15 zivilen Fahrzeugen Marke Golf als „Busspurstreife“ und die ersten 44 „Busspurbetreuer“. So blinkt es in der City schon kurz nach sechs Uhr intensiv gelb: Die herbeigerufenen Abschleppwagen sind fleißig dabei, die jetzt werktags von 6 bis 19 Uhr statt vorher nur von 14 bis 18 Uhr geltende Busspur in der Hardenbergstraße von den letzten vergeßlichen Falschparkern freizuräumen. Selbiges muß ebenfalls am Tegeler Weg geschehen. Ohne besonderes Zutun von den AutofahrerInnen leergefegt sind dagegen zum Beispiel die neuen Busspuren auf der Ollenhauerstraße, am Altstädter Ring, in der Hubertusallee und der Joachimstaler Straße. „Erstaunlicherweise“, meint der BVG-Abteilungsleiter. Nach seiner Erkenntnis werden dagegen auf einigen Busspurstrecken morgens immer zwei, drei falschgeparkte Karossen stehen, „wenn die Fahrer sich am Abend vorher die Birne vollgeknallt haben“.

Größere Probleme haben die Autofahrer dem ersten Eindruck zufolge noch mit ihren Einfädelungsaktionen von den durch die Bussonderstreifen eingeengten in die normalen Fahrspuren hinein. Wie auf bundesdeutschen Autobahnen wird da am Montag früh geblinkt und gedrängelt, daß es seine Art hat (???, d.Korr.). Ferner ist häufig zu sehen, daß sich Rechtsabbieger schon vor Kreuzungen auf den neuen Busspuren rechts einordnen. Verlangt ist, daß sie an den Haltelinien Grün abwarten, den geradeaus weiterfahrenden Bus vorbeilassen und dann erst nach rechts über die durchgehende Busspur einschwenken. Eine stärkere Aufklärung scheint aber nicht nur bei diesem Problempunkt erforderlich.

So war gestern ab 9 Uhr die neugepinselte City-Busspur auf der Budapester und Hardenbergstraße zwischen Elefantentor und Hardenbergplatz wieder von Pkw-Karossen verstellt. Dabei dürfen die jetzt eingeweihten Busspuren in der Regel werktäglich von 9 bis 14 Uhr nur von Lieferfahrzeugen als Ladezone mitbenutzt werden. Gestern jedenfalls kein Grund für die Polizei, beispielsweise einen schon seit längerem abgestellten 28OSE abschleppen zu lassen. Die BVG-Busse müßten wegen der rechtmäßig zum Be- und Entladen abgestellten Kleinlaster „sowieso ausscheren“, erklärt eine Politesse und begnügt sich mit dem Knöllchenschreiben.

Währenddessen kreischen hundert Meter weiter am Elefantentor die Baumsägen. Eine Kolonne von Arbeitern sägt im Auftrag des Charlottenburger Gartenbauamts bis in etwa vier Meter Höhe die Äste von mehrereren stattlichen Pappeln ab. Das ausladende Grünzeug könnte die auf der neuen busspur heranrollenden Doppeldecker streifen, so die Begründung des bezirksamtlichen Gärtnermeisters Hahn. Ihm ist dennoch nicht ganz wohl. Der Gärtnermeister: „Eigentlich sollten die Arbeiten gemäß der Baumschutzverordnung bis zum 1.Oktober abgeschlossen sein. Wir sind selber nicht begeistert, machen aber nicht das, was die BVG wollte.“ Der Eigenbetrieb bestand nach Hahns Angaben bei den im Durchschnitt 25jährigen Pappeln auf einem Kahlschlag bis in eine Stammhöhe von 4,5O Meter. Unnötiger Grünfrevel zugunsten einer ansonsten umweltfreundlichen Verkehrspolitik? Naturschützer waren gestern jedenfalls nicht zur Stelle.

Thomas Knauf

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