Schwarzfahren bleibt in

■ Seit gestern: Schwarz 60, Umweltkarte 65 Mark / Notorische Erschleicher gehen nicht zum Schalter

Man sieht sie jetzt wieder öfter auf den rollenden Laufstegen: taubenblaue, auf Lendenwirbelhöhe taillierte Blazer, kombiniert mit fantasiewollenen Strickwesten und grauer Trevira Stadt-Hose. Der alarmierende Look der BVG -Kontros geht in die Herbst/Winter-Offensive. Die ÖPNVau -Schau fällt zusammen mit der endgültigen Premiere der rot -grünlichen Umweltkarten a 65 Mark und der Erhöhung des erhöhten Beförderungsentgeltes auf DM 60. Nicht nur nichtzahlende Fahrgenossen vermuten da einen augen- und geldscheinlichen Zusammenhang. Nur noch fünf Mark Differenz, dazu getarnte Kontrolleure in Büro-Oliv - Ende der Nulltarifkultur, Niedergang einer Metro-politanen Sportart ? Stirbt die gemeine SchwarzfahrerIn aus?

Nein, meinen die Busser und Bahner. Daß die Umweltkarte Schwarzfahrgäste in Scharen an die Schalter treibt, kann sich Umweltkärtner Mamis nicht vorstellen. Wer vorsätzlich schwarz fahren will, fährt auch bei 80 Mark. Einen Trend zur Umkehr erhofft sich der BVG-Mann eher von den jetzt leicht verbilligten Zeitkarten für Rentner, Schüler und Arbeitslose sowie der Sozialkarte für 10 Mark.

Lohnt sich schwarzfahren noch? Die taz hat unter potentiellen Beförderungserschleichern stichgeprobt. Nicht repräsentativ natürlich: „Klar, wer sagt denn, daß du erwischt wirst? Eine Bekannte von mir, die fährt täglich nach Dahlem zum studieren und die wurde in zwei Monaten höchstens einmal erwischt“, meint ein 24jähriger Student. „Am Anfang des Semesters sind die Kontrollen streng, dann läßt das langsam nach.“ Er selbst fährt allerdings - „weil ich viel unterwegs bin“ - auf Zeitkarte. „Is‘ zu teuer geworden. Ich fahr‘ nur noch schwarz, wenn ich die Wertmarke kaufen fahr'“, sagt ein 20jähriger Werkzeugmacher. „Ich bin prinzipiell für Nulltarif..Lohnt sich bei regelmäßigem Fhren, findet eine Frau Anfang 30. „Die Kontrollen sind gar nicht so häufig.“ Ein junger Vater bekennt sich zum Fahren ohne Ticket, mußte sich aber vor kurzem eine Zeitkarte zulegen: „Wenn ich mit meinem Kind unterwegs bin, kann ich ja nicht rennen.“ Ein Sozialarbeiter, 29 Jahre: „Einen ganzen Monat lang lohnt sich das bestimmt nicht, aber wenn man einmal fahren muß und hat's eilig, dann lohnt sich's schon.“ Ein 22jähriger Landschaftsgärtner: „Die Rush-hour -Zeiten sind einfach optimal, dazu gilt immer noch die alte Parole, vorne und hinten einsteigen. Bei Kontrolle langer Schuh.“

Eine Frau zahlt sogar aus Überzeugung: „In Berlin hab‘ ich mein Auto extra abgeschafft. Das ist hier überflüssig. Der öffentliche Verkehr ist im Vergleich zum Auto einfach billiger.“ Ein Ingenieur mit Zeitkarte ärgert sich: „Ich fahre seit anderthalb Jahren auf Abo, bin aber nur einmal kontrolliert worden.“

Einschränkend meinte ein 20jähriger Arbeitsloser, daß sich Schwarzfahren nicht lohnt, „wenn du 'ne Zeitkarte hast“. „Aber bei Einzelfahrscheinen, jedes Mal 2,70 abdrücken, das ist Quatsch, da lohnt das Schwarzfahren auf jeden Fall.“ Natürlich habe er eine Karte: „Aber die hab‘ ick jetzt nicht bei, wa.“

kotte