: Heim-ins-Reich-Psychose
Das DDR-Ministerium für Auswärtiges zur „Abschiebung“ der Flüchtlinge ■ D O K U M E N T A T I O N
Die DDR sah sich dazu aus humanitären Gründen veranlaßt, angesichts der in den BRD-Vertretungen entstandenen unhaltbaren Situation, die beim eventuellen Ausbruch von Seuchen auch Menschen der betreffenden Länder bedroht hätte.
Hinzu kommt, daß die Bonner Regierung seit Wochen die völkerrechtswidrige Anmaßung einer sogenannten Obhutspflicht für alle Deutschen, die heute in den Grenzen des Deutschen Reiches von 1937 leben, praktiziert. Die BRD ignoriert die Ergebnisse des Zweiten Welktrieges, die in der Nachkriegsentwicklung entstandenen Realitäten und verletzt den zwischen beiden souveränen deutschen Staaten abgeschlossenen Grundlagenvertrag.
Zügellos wird von Politikern und Medien der BRD eine stabsmäßig vorbereitete „Heim-ins-Reich„-Psychose geführt, um Menschen in die Irre zu führen und auf einen Weg in ein ungewisses Schicksal zu treiben. Das vorgegaukelte Bild vom Leben im Westen soll vergessen machen, was diese Menschen von der sozialistischen Gesellschaft bekommen haben und was sie nun aufgeben. Sie schaden sich selbst und verraten ihre Heimat.
Nun werden einige Bürger der DDR an uns mit Recht die Frage stellen, warum wir diese Leute über die DDR in die BRD ausreisen lassen, obwohl sie grob die Gesetze der DDR verletzten. Die Regierung der DDR ließ sich davon leiten, daß jene Menschen bei Rückkehr in die DDR, selbst wenn das möglich gewesen wäre, keinen Platz mehr im normalen gesellschaftlichen Prozeß gefunden hätten. Sie haben sich selbst von ihren Arbeitsstellen und von den Menschen getrennt, mit denen sie bisher zusammen lebten und arbeiteten. Bar jeder Verantwortung handelten Eltern auch gegenüber ihren Kindern, die im sozialistischen deutschen Staat wohlbehütet aufwuchsen und denen alle Kindereinrichtungen, alle Bildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten offenstanden. Hinzu kommt, daß sich nach bisherigen Feststellungen unter diesen Leuten auch Asoziale befinden, die kein Verhältnis zur Arbeit und auch nicht zu normalen Wohnbedingungen haben. Sie alle haben durch ihr Verhalten die moralischen Werte mit Füßen getreten und sich selbst aus unserer Gesellschaft ausgegrenzt.
(Auszüge aus 'Neues Deutschland‘ vom 2.Oktober 1989)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen