MusikRest mit BesucherRest

■ Beim Konzert der Hamburger Gruppe „L'art pour l'art“ blieb das Publikum rar

Es mag Zufall gewesen sein, aber just mit dem Beginn des Bremer Musikfestes verzeichnete Dacapo beim Konzert des Hamburger Ensembles für Neue Musik den schlechtesten Besuch seit anderthalb Jahren. Bedauerlich, betont doch die Argumentation gegen das Musikfest besonders die Notwendigkeit der Förderung solcher eigenständig gewachsener Einrichtungen wie Dacapo. Und der entscheidende Teil einer Förderung ist der Besuch der Konzerte. Dabei ist „L'art pour l'art“ eine der erfolgreichsten Gruppen ihrer Art in der Bundesrepublik.

Der Reiz des Konzertes lag vor allem im nuancenreichen Ausspielen der auf sensiblen Klang angelegten Kompositionen. Hans-Werner Henzes „3 Fragmente nach Hölderlin“ aus der Kammermusik 58 in ihrer übersterten Sönheit mit fast wahnsinnigen Zügen erfordern ein in Grenzbereiche gehendes Klanggefühl. Diese Lieder vom Duo Maria Karb-Bienefeld (Gesang)

und Michael Schröder (Gitarre) vorgetragen, zeigten ein besonderes Gefühl für Klangschattierungen, das auch die anderen Mitglieder der Gruppe auszeichnete. Maria Karb -Bienefeld war für mich eine Überraschung: Ich habe selten in einem Konzert für Neue Musik eine so überzeugende Sängerin gehört, klang-und intonationssicher, mit viel Präsenz und Ausstrahlung. Auch Michael Schröder überzeugte mit schönem differenziertem Ton und ausgezeichnetem Spielverständnis.

„Toucher“ von Vinko Globokar, ein virtuoses Zusammenspiel von Stimme und einem nach dem Klang der französischen Sprache zusammengestellten Schlagwerk, ist auf ein Spiel mit Klängen angelegt, die sich zu Stimme und Sprache in Beziehung setzen. Hierin gibt es Parallelen zu Klaus Hubers „Askese“ für Flöte, Tonband und Sprecher. Der Schlagzeuger Matthias Kaul machte „Toucher“ durch seine lebendige

und souveräne Spiel-und Sprechweise zum Publikumshöhepunkt. Astrid Schmeling zeigte eine imponierende Sicherheit mit konventionellen Flötentechniken und -klängen.

Leider verzichtete die Gruppe in Absprache mit dem Veranstalter auf die ihr sonst gewohnte Form des Gesprächkonzerts. Diesem Verzicht fiel auch die Vorrede zu Rolf Riehms „Notturno für die trauerlos Sterbenden“ für Gitarre zum Opfer, die das Stück den Gefangenen und Gestorbenen der Baader-Meinhof-Gruppe widmet und den Umgang der bundesdeutschen Öffentlichkeit mit der RAF - „Werft sie in die Kloake“ - als gedanklichen Hintergrund hat. Auch bei Vinko Globokars „Toucher“ führen die Textstellen, die eine formale Funktion haben, zum inhaltlichen Rätselraten und lenken vom Stück ab. Hier hätten Erklärungen dem Verständnis und dem Genuß gedient.

Andreas Lieberg