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Tankdeckeltrick funktionierte perfekt

■ Seit gestern stehen drei Polen wegen des Vorwurfs vor Gericht, Autos geklaut und nach Polen verschoben zu haben / Zusätzlicher Nebenerwerb: Urkundenfälschung

„Ich bin Bildhauer, Maler und Restaurator, aber ich kann auch viele mechanische Sachen machen“, beschrieb der 29jährige Pole Miroslav L. gestern vor der 17. Strafkammer des Landgerichts seine Fähigkeiten. Miroslav L. sitzt in diesem Prozeß zusammen mit Stanislav J. ( 35) und Wojciech G. (34) wegen des Vorwurfs auf der Anklagebank, rund 25 neuwertige Autos unter Anwendung des „Tankdeckeltricks“ geklaut und ins heimatliche Polen verschoben zu haben.

Darüber hinaus werden Miroslav L. und Stanislav J. beschuldigt, mit gefälschten Personenstandsurkunden gehandelt zu haben, die polnischen Staatsbürgern eine angebliche „Deutschstämmigkeit“ bescheinigen.

Miroslav L. war gestern als einziger der Angeklagten zu einer Aussage bereit. „Ich sage das, was ich gemacht habe“, hob der Pole in leicht gebrochenem Deutsch an und beschrieb dann, auf welche geschickte Art und Weise sich das Trio in der Zeit zwischen November 87 und Dezember 88 zahlreicher Autos bemächtigt hatte: Mit dem Tankdeckeltrick, der nur bei den Marken Audi 80, VW Golf und Passat funktioniert, weil bei diesen Modellen der Tankdeckelschlüssel mit dem Tür- und Zündschlüssel identisch ist. Miroslav L.s Schilderung zufolge hatten sich die Angeklagten am frühen Abend auf „Besichtigungstour“ begeben, um nach Mitternacht zur Tat zu schreiten: Nachdem der Tankdeckel des begehrten Objekts mit einem Abzieher entfernt worden war, feilte der geschickte Miroslav L. in seinem Auto einen passenden Nachschlüssel zurecht.

Es kam aber auch vor, daß er für diese Arbeit mit einem Taxi nach Hause fuhr. Noch in derselben Nacht wurde ein Fahrer mit dem geklauten Wagen und einem gefälschten Kraftfahrzeugschein in Richtung Polen losgeschickt. An der deutsch-polnischen Grenze winkte dann schon der Abnehmer mit einem Geldbetrag in harter Währung, in der Regel zwischen 2.000 Dollar oder bis zu 7.000 Mark: Reichlich wenig dafür, daß sich die Schätzung des Gesamtschadens auf 750.000 Mark beläuft.

Bei dem Geschäft mit den gefälschten Personenstandsurkunden hatten sich die Angeklagten die grotesken Einwanderungsbestimmungen der Bundesrepublik zunutze gemacht: Aussiedler müssen ihre „Deutschstämmigkeit“ beweisen, um als deutsche Staatsbürger anerkannt zu werden und finanzielle Entschädigungen zu erlangen. Grundlage dafür sind Wehrmachtspässe oder „deutsche Volkslisten“. Die „deutschen Volkslisten“ waren von den Nazis 1939 im besetzten Polen in Gebieten eingeführt worden, in denen sowohl Polen als auch Deutsche lebten. Jeder Pole, der erklärte, deutsche Vorfahren zu haben oder sich als Deutscher zu fühlen, fand Eingang in die Listen und galt fortan als „Volksdeutscher“.

Ebenso wie in Hamburg und Bochum haben sich den vergangenen Jahren auch in Berlin Fälscherringe darauf spezialisiert, interessierten und zahlungskräftigen Polen auf gefälschten Personenstandsurkunden die „Deutschstämmigkeit“ zu bescheinigen: Auf einem Blanko-Personenstandsdokument wird eine „deutsche Großmutter“ eingetragen, deren Name in den „Volklisten“ real existiert - oder ein „deutscher Großvater“, der bei der Wehrmacht gedient hat. Miroslav L. und Stanislav J. sollen laut Anklage sieben solcher Dokumente gefälscht haben. Der Prozeß wird am Montag fortgesetzt.

plu

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