Brüssel: Attentat auf jüdischen Arzt

Joseph Wybran, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Belgien, wurde erschossen Polizei vermutet rassistischen Hintergrund, hat jedoch noch keine konkreten Spuren  ■  Aus Brüssel H. Hörburger

Am Dienstag abend ist in Brüssel ein Attentat auf Joseph Wybran, den Präsidenten des Koordinationskomitees der jüdischen Organisationen in Belgien (CCOJB), verübt worden. Wybran, seit Dezember letzten Jahres Präsident der CCOJB, der rund 30 jüdische Organisationen angehören und die die politische Vertretung von etwa 30.000 Juden wahrnimmt, war in jüdischen Kreisen in Belgien eine wichtige Persönlichkeit. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Auschwitzkomitees. Als dessen Präsident trat er gegenüber der polnischen Führung dafür ein, sich klar gegen jede Form des Rassismus und insbesondere gegen den Antisemitismus auszusprechen.

Der 48jährige Wybran wurde angeschossen, als er gegen 19 Uhr seinen Arbeitsplatz, das Erasmus-Krankenhaus in Anderlecht bei Brüssel, verlassen und in sein Auto steigen wollte. Obwohl er unverzüglich durch Kollegen ärztlich versorgt wurde, ist Wybran nicht mehr aus dem Koma erwacht und am Mittwoch morgen seinen Verletzungen erlegen.

Die Polizei tappt bislang noch völlig im dunkeln. Zur Stunde gibt es weder einen Bekennerbrief noch Zeugen für die Tat. In der jüdischen Gemeinde Belgiens reagierte man mit Ratlosigkeit und Betroffenheit auf den Tod Wybrans.

Die Ermittlungsbehörden vermuten in der Tat ein politisch motiviertes Attentat. Es wäre in diesem Jahr schon das zweite Mal, daß auf den Vertreter einer religiösen Glaubensgemeinschaft in Brüssel ein Anschlag verübt wurde.

Im April wurde Abdullah al-Ahdel, der Imam der moslemischen Benelux-Gemeinde, in der belgischen Hauptstadt erschossen. Doch im Gegensatz zum jetzigen Anschlag gab es ein Bekennerschreiben einer proiranischen Gruppe und ein Motiv: Der Imam hatte in der Rushdie-Affäre eine liberale Haltung eingenommen.