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Kunstlicht: Erweiterung des Kunstbegriffs nach Jupp und Überschreitung

Erweiterung des Kunstbegriffs nach Jupp und Überschreitung

Aktionskunst ist flüchtig und hinterläßt bestenfalls Eindrücke und Spuren. Heini Linkshänder (38) ist Aktionskünstler, und die Spuren seiner letzten Aktion sind in der Atelierhof-Galerie zu besichtigen. Aktionskunst: „KÜNSTLER arbeiten für die GESELLSCHAFT wie andere auch“ (Wien 1980); Straßenaktion „Kulturschmerz“ in der Blutenburgstraße in München; Straßenaktion Worpswede „Das Moor hat seine Schuldigkeit getan“. Heini Linkshänders Einsatz ist bedingungslos, benutzt den ganzen Körper, der nicht mehr vollständig ist.

1960 verlor er bei einem Unfall den rechten Arm. Fragen von Gleichgewicht und Polarität (rechts-links, plus-minus) waren auch im Atelierhof Thema: Mit einer am Armstumpf befestigten Säge sägte er sich durch die verbretterte Galerie ins „Freie“, das Publikum traf auf einen bronzebemalten Nackten, der drinnen eine „elektrische Installation“ aufgebaut hatte.

Dicke Kupferadern teilen den Raum, eine Leiter mit Bleidecke unter einem Pappkreuz, mutmaßlich blutbeschmiert, wer zurückblick, sieht in einen großen Spiegel. „Die Energie bin Ich“, steht dort mit Wachs geschrieben, glaubwürdig. Tatsächlich hat der Raum etwas Sakrales, Magnetisches, etwas von Metall-Liturgie und Opfergang. (Atelierhof Alexanderstraße, bis 10.10.)

Wenn Heini den Kunstbegriff erweitert, ist Stephan längst darüber weg. Stephan Stüttgen war Beuys-Schüler 1968-73 und baute Kisten mit Wachs und Marmor und Papier, malte Niederes wie Ölkannen und pflanzte mit an 7000 Eichen in Kassel.

In der Galerie beim Steinernen Kreuz hängen überwiegend neuere Bilder des Künstlers (Jahrgang 1947, Niederrhein), und die wirken nun ebenso befremdend wie Stüttgens derzeitige Beschäftigung als Hilfsfriedhofsgärtner. Ikonenartig zitieren sie Genrebilder des letzten Jahrhunderts mit streng gescheitelten Müttern, löffelhaltenden Kindern, Paaren im Grünen und madonnenhaften Figuren.

„All-ein“ heißt die Ausstellung, meint nicht deprimierende Einsamkeit, sondern einen Zustand von Geschlossenheit und Aufgeschlossenheit. Das blieb von Beuys: eine Überlast an Gedankengut, von der die Tusche-und Sepiazeichnungen gottlob verschont blieben. Klare Strichführung, voller Spannung, kräftig, es geht um den Menschen, und sei er auch allein. Bu

bis 21.10.

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