: LOVE ME, SCHÄNDER
■ „The Elvis Presley Museum“ in Messehalle 14.1.
Forsch und mit wehenden Rockschößen sauste ich auf den Einlaßtresen zu, zückte selbstbewußt den Presseausweis - mit dem man sonst jede Polizeikette passieren kann - wollte an dem Kartenpersonal vorbeihuschen, da stoppten mich zwei in die Höhe gesteckte Zeigefinger, die von ihren Inhabern scheibenwischerartig durch die Luft bewegt wurden. „Presse“, sagte ein über den Rock'n'Roll ergrauter Herr (und wie er dies verächtlich aussprach, kühlen, abschätzenden Blickes) „Presse“, also habe nur nach vorheriger Absprache mit dem örtlichen Veranstalter Zutritt - in diesem Falle Zet-ka. Da half kein Bitten und kein Hinweis auf die Redaktion...
Es half nichts, sie blieben hart; zerknirscht und ärgerlich trat ich meinen Heimweg an. Und dachte: Wunder was muß sich hinter den Fertigbauelementen von Halle14 verbergen, wenn solche Gralshüter aufgebaut werden, den Eingang zu schützen. Welches Geheimnis mag in den Messehallen lauern? Ein sakraler Raum, andächtig-duster, nur die goldbesetzte Gitarre blinkt matt und zum Lobe ihres Herrn, des King Elvis. Ein neuer Tempel, aufgebaut zu versammeln die verlorenen Schafe des Rock'n'Roll, die, fern des Christentums, sich unter das Zeichen des Hüftschwungs rotten und bekennen, daß es ganz ohne Kult nicht geht?
Einen Tag und einen kurzen, aber heftigen Telefonanruf später trat ich wieder vor die Tore des Museums und bekam diesmal gruß-, wort- und problemlos eine: Ehrenkarte. Was mir mächtig imponierte. Aber nur so lange, wie ich nicht das Museum betreten hatte. Kein sakraler Raum, kein Rock'n'Roll -Tempel, kein Musikkult, nur die windschief aufgebaute Absicht, zügig zu Geld zu kommen. Und selbst dafür nicht professionell genug. Wahllos in den Raum gestellt stehen Vitrinen, als hätten sie Hänsel und Gretel auf dem Weg nach Graceland verstreut; dazwischen parken zwei Autos, die Er selbst mit Bleifuß beglückt hat; umrahmt wird das von klapprigen Stelltafeln und TV-Apparaten, die die Videoaufzeichnung einer Fernsehshow mit Presley zeigen. Die Fernsehshow wird dann noch einmal in einem abgetrennten Raum per Großprojektion auf einer Leinwand gezeigt, die allerdings viel zu groß ist für das erzeugte Bild. Wie überhaupt - und das ist der erste und bleibende Eindruck, wenn man das reisende Museum betritt - die ganze Ausstellung zu klein ist für den Messebau, mit den paar zusammengekratzten Exponaten in keinem Fall gegen die Halle 14 anstinken kann. Dafür rächt sich die Halle, gewohnt, durch den Aufbau künstlicher Welten unsichtbar gemacht zu werden, mit dem ganzen Ausmaß ihrer Häßlichkeit, welche die Ausstellung zu einem dürftigen, zugigen und trostlosen Ort macht.
Es beginnt rechter Hand mit einem Devotionalienhandel. Üblicher rosaroter Kitsch: das in ein Herz eingefaßte Porträt Presleys auf mit knatschig-glänzenden Stoff überzogenen Kissen, gut für die Hutablage; Buttons mit seinem Konterfei, en face und Profil; T-Shirts und Jacken, protzend mit irgendeiner King-Elvis-Tour, gehalten im geschwungen-dynamischen Schriftzug; x-Bücher über „Mein Leben mit Elvis“ oder „Die wahre Biographie des wahren Elvis, geschrieben von einem wahren Freund„; Wand- und Taschenkalender und so fort, alles zu Preisen, die nur echte Fans verstehen können.
Dann die Vitrinen. In dreien davon sind Kostüme ausgestellt, die er einst getragen. Zwei davon sind an Puppen befestigt, als da sind: ein himmelschreiend azurblauer Hosenanzug mit viel Glitzerkram und ein Karateanzug, denn Presley war ein Meister des Kampfsports. Die Haltung der Puppen erinnert allerdings eher an am Strick baumelnde Delinquenten, sind dazu noch kopflos, also gleich doppelt hingerichtet.
Gegenüber vom Devotionalienhandel, getrennt nur durch einen Camel-Shop (die Firma macht sich auch sonst durch superauffällige Selbstdarstellung als Sponsor bemerkbar), beginnen die Stellwände, die chronologisch durch das Leben Presleys führen: die Geschichte einer Karriere. Die Schrifttafeln sind kurz und knapp gehalten, höchstens drei Sätze, in denen mindestens einmal des Geweihten Name vorkommt. Elvis machte dies, Elvis machte das, kaufte den Eltern ein Haus, für sich selber ein Heim, landete hier einen Hit, lernte dort Pricilla kennen. Die Auskünfte werden gegeben in Englisch, Italienisch und Deutsch, letzteres fettgedruckt, schwarz auf rosa Papier, eingefaßt in rahmenlose Bildhalter, wie man sie verwendet, wenn man die Liebsten an die Wand nagelt. Dazu gibt es dann vielerlei Bilder von ihm, kleinformatig kreuz und quer an die Stellwand geheftet, daß es aussieht wie die Star-Wand in einem Teenagerzimmer. Text und Bild stehen allerdings in keinerlei Zusammenhang. Wo es heißt: ...gab Elvis ein Konzert, es kam zu Krawallen, sieht man Bilder vom lächelnden Presley. Immer lächelt er, ist jung, schaut manchmal stimmungsvoll und nachdenklich. Dann hören die Stellwände auf, und er ist tot. Dazu gibt es eine Vitrine mit dem kopierten Testament, in der gleichzeitig auch ein Tennisschläger (?) liegt.
Einen so braven Jungen sah man selten, und es ist absolut unvorstellbar, warum ausgerechnet der zu Krawallen animiert haben soll. Rock'n'Roll-Spießer paßt da eher. In dieses Bild hinein gehört auch der teuerste Sheriffstern der Welt, den Presley sich hat machen lassen, golden und mit Diamanten besetzt. Soviel war es Presley wert, als ehrenwertes Mitglied der Gesellschaft zu gelten. Dann die Autos. Ein schwarzer, in Italien handgearbeiteter Flitzer und ein Caddilac. Zu letzterem sieht man in einer Vitrine noch die kopierten Zulassungspapiere und in einer gläsernen Schachtel den Schlüssel, ganz aus Gold.
Aus Gold auch Anhänger für Freunde und Bekannte, je nach Beliebtheit mit oder ohne anderes Schmuckstück, doch immer mit dem gleichen Motiv: TCB (Take Care of Business) oder TLC (für die Damenwelt: Tender, Loving, Care). So geht es zu im Inneren eines Stars.
Die ganze Ausstellung sagt nicht mehr, als daß durch Elvis Presley der amerikanische Tellerwäscher- & Millionärstraum seine Rock'n'Roll-Variante erfahren hat. All das Gold, die Brillanten, die teuren Autos, der ganze überflüssige, glänzende Tand zeugt vom reichen Leben: Leben in Glück und Wohlstand, im strahlenden Licht, das noch so hell sein soll, daß man Jahre danach eine billige Ausstellung durch die Lande fahren lassen kann, ohne daß sich der Horizont verdunkelt. Doch die Ausstellung dementiert in ihrer ganzen Armseligkeit diese Botschaft von Ruhm und Glanz des Elvis Presley.
Offenbarung dieser Absicht wie ihres Scheiterns ist die Abteilung Lassen Sie sich mit Elvis fotografieren. Auf abreißbarem Endlospapier der gewöhnlichen Sorte ist oben rechts das Portrait des King angebracht, links daneben sein Name und darunter in roter Schrift die Unsterblichkeitsfloskel for ever. Unter diesem Kopf wird dann das Gesicht des Besuchers festgehalten. Das geschieht mittels einer Videokamera, die des Besuchers Foto durch einen Computer jagt, welcher dann das Ganze richtig hinmontiert und ausdruckt. Wem es nicht genug ist, zusammen mit dem King auf einem verwaschenen Foto zu sein, der kann sich Elvis & ich als Kalender an die Wand hängen. Das ist immerhin praktisch.
Höttges
„The Elvis Presley Museum“ bis zum 15.Oktober in Messehalle 14.1., Eingang Messedamm, Mo bis Fr 13 bis 21Uhr, So 11 bis 19Uhr.
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