: Protest gegen Pinochet
■ Demonstrationen zum Jahrestag des Plebiszits in Chile Tränengas und Schlagstöcke / 100 Menschen festgenommen
Santiago (afp) - Mit Demonstrationen gegen das Militärregime hat die Opposition in Chile den ersten Jahrestag ihres Sieges im Referendum über die politische Zukunft von Staatschef Augusto Pinochet begangen. In der Hauptstadt Santiago nahm die Polizei am Donnerstag nachmittag fast 100 Kundgebungsteilnehmer fest.
Die Guerilla-Organisation „Patriotische Front Manuel Rodriguez“ (FPMR) schaltete sich mit einer zehnminütigen Störsendung ins laufende Rundfunkprogramm ein, in der sie zur Wahl des Präsidentschaftskandidaten der Opposition, Patricio Aylwin, aufrief. Mit Schlagstöcken, Wasserwerfern und Tränengas ging die Polizei in Santiago am Donnerstag nachmittag gegen mehrere hundert zumeist jugendliche Demonstranten vor. Die Oppositionsanhänger sammelten sich vor dem Präsidentenpalast und an anderen Stellen der Hauptstadt und bekundeten in Sprechchören ihre Unterstützung für Aylwin. Vor dem Regierungspalast nahmen die Beamten vier Studentenführer fest, die Pinochet einen blauen Briefumschlag übergeben wollten, wie chilenische Arbeitgeber sie für Kündigungsschreiben benutzen. Erst am Vortag hatten Sicherheitsbeamte in der Hafenstadt Valparaiso 100 Demonstanten verhaftet, die jedoch am Donnerstag wieder freikamen.
Unbekannte verübten am frühen Donnerstag morgen einen Feuerüberfall auf das Sendezentrum des staatlichen Fernsehens in Santiago. Menschen kamen dabei nicht zu Schaden. Zuvor hatte eine Serie von Bombenanschlägen auf das Elektrizitätsnetz in der Nacht zum Donnerstag die Stromversorgung in mehreren Städten teilweise lahmgelegt.
Oppositionskandidat Aylwin hob hervor, daß in dem Plebiszit vor einem Jahr das Volk selber einen friedlichen demokratischen Wandel in Gang gesetzt und damit die Voraussetzungen für die Präsidentschaftswahl am 14. Dezember geschaffen habe. Der Sieg der Opposition im Referendum vom 5. Oktober habe einen Wandel in der Mentalität der Bevölkerung bewirkt: „Diejenigen, die sich früher allmächtig fühlten, sind bescheidener geworden, und die Verschüchterten haben ihre Würde und ihre Rechte als Bürger wiedergewonnen.“
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