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Die Verlockung der ererbten Weiblichkeit

Gleichheit oder Differenz zwischen den Geschlechtern? / Die Teilnehmerinnen des internationalen Frauenkongresses „Menschenrechte haben (k)ein Geschlecht“ debattierten in der Frankfurter Paulskirche die aktuellen Emanzipationskonzepte der Frauenbewegung  ■  Aus Frankfurt Beate Greisler

Gleichheits- und Differenztheorien gibt es im Feminismus seit Anbeginn der Diskussion. Vor 200 Jahren waren die Pariser Frauen nach Versailles marschiert, um vom König Brot und die Anerkennung der Menschenrechte zu fordern. Dieses Ereignis, als „Tag der Weiber“ in die Geschichte eingegangen, sollte nun für den internationalen Frauenkongreß „Menschenrechte haben (k)ein Geschlecht“ in Frankfurt der Ausgangspunkt für die Diskussion aktueller Emanzipationskonzepte der Frauenbewegung sein.

Zweifel an der Strategie der Gleichheit der Geschlechter als Anpassung an einen von Männern geschaffenen Status haben verstärkt die Theorien der Differenz hervorgerufen. Rossana Rossanda warnte allerdings in ihrem Vortrag, mit dem sie den Kongreß in der Frankfurter Paulskirche einleitete, davor, sich auf die „Verlockung der ererbten Weiblichkeit“ einzulassen und die weibliche Autonomie nur aus dem zu definieren, was Frauen schon immer zugesprochen wurde Affekt, Gefühl, ein besonderes Verhältnis zum Körper und das unmittelbare Wissen -, selbst wenn nun diesem eine veränderte Bewertung zugesprochen wird.

Die Theorie einer sexuellen Differenz vertrat vor allem Adriana Cavarero, die die Thesen der italienischen Philosophinnen-Gruppe „Diotima‘ vorstellte. Gegen eine Angleichung an das männliche Modell, das als Paradigma der Menschheit dient, gegen einen rechtlichen Universalismus setzte sie die weibliche sexuelle Differenz, die einen Wert an sich darstellt. Wie diesem Wert konkrete Bedeutung zukommt, erläuterte sie aus ihrer Praxis in der Gruppe „Diotima“. In der patriarchalen Welt, in der alles suspekt ist, können durch eine „Bezogenheit unter Frauen“ weibliche Maßstäbe hin zu einer „symbolischen weiblichen Ordnung“ begründet werden.

Ihre Kritikerinnen, denen es in erster Linie um einen Terraingewinn über Reformpolitik und Quotierungsmaßnahmen ging, vermuteten in solchem „theoretischen Großkonstrukt“ (Cornelia Klinger) dagegen die Ansätze zu einer neuen Moral oder gar zu einer „feministischen Theologie“ (Christel Eckart). Sie klagten die Differenzen unter Frauen ein, die schließlich nicht zuletzt auf diesem Kongreß vor allem in dem ihn bestimmenden Ton und im Umgang miteinander deutlich wurden.

Sowohl Lesben als auch eine Gruppe außereuropäischer Teilnehmerinnen fühlten sich nicht vertreten, und die Tatsache, daß zwei Iranerinnen nur deshalb auf dem Podium ihren Forderungen Geltung verschaffen konnten, weil ihnen der demonstrative Rückzug durch buchstäblich verschlossene Hörsaaltüren verwehrt war, ist wohl ebenso witzig wie peinlich. Trotz der polemischen Polarisierung zeigte sich in den Beiträgen, daß die Frage nach Gleichheit oder Differenz von den verschiedenen Seiten auf dem Kongreß als eine „falschgestellte Alternative“ (Annedore Prengel) aufgefaßt wird.

Das Elend der Quotierung und der Sackgassen

Auch die Italienerinnen sehen die Notwendigkeit von Einflußgewinn, wie er zur Zeit von den Frauen in der italienischen Kommunistischen Partei praktiziert wird, genauso wie zum Beispiel Ute Gerhard, die am Modell Gleichheit als einem noch nicht obsolet gewordenen festhält, sich auf Schwesterlichkeit zur Bildung einer neuen gesellschaftlichen Solidarität bezieht.

Individuelle Erfahrungen von Frauen integriert auch Frigga Haug in ihr Konzept eines sozialistischen Feminismus, der sich gerade in der Verknüpfung der Dimension der Alltagserfahrung mit Gesellschaft begründet.

Einen glatten Weg heraus aus dem „Elend der Quotierungen und Sackgassen“ (Gisela Erler) konnte der Kongreß sicher nicht anbieten oder erarbeiten, aber daß trotz und gerade in den Verschiedenheiten und Kontroversen die Utopie einer anderen Gesellschaft und einer weiblichen Autonomie zu suchen ist, wurde deutlich.

Die Spannung von Gleichheit und Differenz auszuhalten, an der wie auch immer, aber nicht ausschließlich definierten Andersartigkeit, dabei an der Gleichwertigkeit festzuhalten, ohne auf die Kämpfe um mehr Raum zu verzichten - das waren die mehr oder weniger abstrakten Formeln dieser Tagung zwischen Theorieproduktion und Strategiediskussion der Frauenbewegung: ein Tag der Weiber, an dem es um Konkretes und Utopisches ging, um „Brot“ und „Menschenrechte“ zugleich.

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