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■ Spranger in Lesum / Bremen braucht 1989 noch 500 Übergangswohnheimplätze

Wie man einen Bonner Staatssekretär schon mit einem kleinen bißchen Wahrheit der Schönfärberei überführen kann, bewies gestern der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Peter-Michael Pawlik im Übergangswohnheim Bremer-Lesum. Dorthin hatte sich auf Einladung der Bremer CDU-Fraktion der parlamentarische Staatssekretär für Inneres und CSU-Rechtsaußen Spranger verirrt, um die Bremer Presse über die besonderen Verdienste der Bundesregierung in Sachen Aussiedlerpolitik zu unterrichten. Über „außergewöhnliches Engagement auf allen Ebenen, insbesondere bei der Bundesregierung angesichts des Massenflucht in den freien Teil Deutschlands“ und praktizierte Solidarität und Mitmenschlichkeit hatte der Staatssekretär geredet, als der Bremer CDU-Mann nichtsahnend zur Pressekonferenz erschien und noch eine kleine Anmerkung aus der politischen Arbeit vor Ort ergänzen wollte. Gegen die Übersiedler, insbesondere die Polen gebe es „leider sehr, sehr viele Vorurteile“, die die Integration erschwerten. Der Staatsekretär vernahm es mit Mißvergnügen und regte gegen das „Neidproblem“ eine einfache Lösung an: Da sollten doch die wohnungssuchenden Bundesbürger, in neue Wohnungen „eingewiesen“ werden. Aus-und Übersiedler könnten dann in die von Bundesdeutschen freigemachten Wohnungen „eingewiesen“ werden. Auf den Einwand des Senatsdirektors für Soziales, Christoph

Hoppensack, daß in der freien Wohnungsmarkt-Wirtschaft „Einweisen“ keine Lösung sein könne, mochte der Bonner Minister-Stellvertreter dann nicht mehr eingehen. Zuvor hatte Hoppensack über „zuwenig Unterstützung“ aus Bonn geklagt. Insbesondere bei der Errichtung von Übergangswohnheimen fehle es an finanzieller Hilfe.

Allein für Übergangswohnheime wird Bremen bis Ende des Jahres noch einmal sieben Millionen Mark aufbringen müssen, um 500 weitere Wohnplätze in 50 Schnellbau-Holzhäusern zu schaffen. Vier verschiedenen Standorten sind bereits ausgeguckt: an der H.-H.-Meier-Allee in Schwachhausen, bei den Bezirkssportanlagen Osterholz und Horn, sowie beim Sattelhof in Hemelingen. Doch selbst mit den dann insgesamt geschaffenen

2.100 Übergangs-Wohn-Plätzen wird der Bremer Senat kaum über den Winter kommen. Denn insgesamt, so die bisherige Kalkulation, werden bis Ende Dezember 2.500 Plätze benötigt.

Getreu dem Motto: „Kommt Not, kommt Platz“, hofft die Sozialbehörde nach wie vor auf ein Einlenken der Ressorts Inneres und Gesundheit. Bislang behaupten die SenatorInnen Sakuth und Rüdiger, daß weder in der Kaserne der Bereitschatspolizei in Huckelriede noch in der ehemaligen Frauenklinik St.-Jürgen-Straße Räumlichkeiten zur Verfügung stünden.

Für den Bonner Besucher war all das gestern kein Thema: Er machte sich nach einer Stunde mit dem CDU -Fraktionsvorsitzenden Peter Kudella davon, um in Bremen noch ein bißchen Polizei zu gucken.

Thomasi Pantidi

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