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Grünes Haus Wittgenstein ein Millionengrab

Abschlußbericht zu grünem Tagungszentrum Haus Wittgenstein vorgelegt / Wirtschaftsprüfer bescheinigen der Partei einen unnötigen Mehraufwand von rund einer viertel Million Mark / Verschulden des letzten Bundesvorstandes immer noch umstritten  ■  Aus Bonn Gerd Nowakowski

Schwere Mängel in der Buchhaltung, einen Mehraufwand von 250.000 Mark und eine um mindestens ein Jahr verzögerte Fertigstellung des Baus hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft „Treuarbeit“ im Zusammenhang mit dem Grünen-Tagungshaus Wittgenstein festgestellt. Das vom Bundesschatzmeister Axel Vogel vorgelegte Gutachten bescheinigt der Partei in den Jahren 1985 bis 1987 eine Vielzahl von buchhalterischen Fehlern. Unterschlagungen und Selbstbereicherungen wurden nicht festgestellt. Fehlbeträge gebe es ebenfalls nicht, doch „allein der Umstand, daß die Buchführung für 1985, 1986 und 1987 für mehrere Monate nachgeholt wurde, also praktisch keine fortlaufende Buchführung erfolgte, und die Vielzahl der formalen Mängel führen dazu, daß im Bereich der Kassenführung die Ordnungsmäßigkeit nicht gegeben war“, heißt es im Gutachten.

Kritik übt die Treuarbeit auch am grundsätzlichen Ansatz, mit Ex-Drogenabhängigen das 1984 erworbene Haus umzubauen. Angesichts einer „ungenügenden Bau- und Kostenplanung in der Anfangsphase“ sowie einer „fehlenden umfassenden fachlichen Maßnahmebetreuung und der Überforderung der Beteiligten“ konnte dies „nicht zu dem erhofften Ergebnis führen“. Weil die ehemaligen Drogenabhängigen teilweise ohne Sozial- und Krankenversicherung beschäftigt wurden, hätten die Grünen insgesamt 89.000 Mark nachzahlen müssen. Ordnungsgemäß sei die Bauabwicklung erst verlaufen, nachdem der - im November 1988 wegen des Streits um Wittgenstein abgewählte Bundesvorstands - im Juni 1988 eine neue Bauleitung einsetzte.

Insgesamt kostete Haus Wittgenstein die Grünen 6,2 Millionen Mark, davon verschlang allein der Umbau knapp 4,6 Millionen Mark. Die Treuarbeit, die für die von den Mitgliedern verlangte Überprüfung 50.000 Mark kassiert, empfielt in ihrem Gutachten trotz derzeitiger Unrentabilität die weitere Nutzung als Tagungshaus. Ein Verkauf des Hauses, welches wegen der geringen Anzahl von Betten - zudem noch in Massenquartieren - keinen rechten Tagungsbetrieb zuläßt, würde nach Meinung der Treuarbeit einen weiteren Verlust von 1,8 Millionen Mark bringen. Zu anhaltenden Verlusten führe auch eine Verpachtung oder Vermietung. Für sinnvoller hält die Treuarbeit die kurzfristige Schaffung zusätzlicher Bettenkapazitäten für rund 400.000 Mark. Mittelfristig wird die Errichtung eines weiteren Bettenhauses empfohlen.

Die Unregelmäßigkeiten um das Tagungshaus hatten im November 1988 zur Abwahl des Bundesvorstandes geführt. Einer der damals abgewählten Vorständler, Johann Müller-Gazurek, sprach gestern von einer „Selbstbedienungsmentalität“, die in der ersten Bauphase geherrscht habe. Seiner Meinung nach sei die Partei beim Kauf 1984 mit dem Projekt und der sozialpädagogisch orientierten Durchführung „überfordert“ gewesen. Das Gutachten bestätige, daß die Abwahl des Vorstands nicht gerechtfertigt gewesen sei. Schließlich habe der geschaßte Vorstand erst im Mai 1987 sein Amt angetreten. Die jetzige Vorstandssprecherin Ruth Hammerbacher sieht dagegen die Vorwürfe einer „schlampigen und laienhaften“ Baudurchführung bestätigt und kritisiert, daß „Verantwortlichkeiten über mehrere Vorstände nicht wahrgenommen wurden“.

Gerichtet ist dieser Vorwurf insbesondere gegen den langjährigen Schatzmeister Hermann Schulz und den Bundesgeschäftsführer Eberhard Walde. Die Abwahl des alten Vorstands erfolgte nach Meinung von Hammerbacher nicht wegen tatsächlich zu verantwortender Planungsfehler, sondern weil er Kritik „nicht konstruktiv aufgegriffen“ habe und damit den Verdacht erweckt habe, diese Unregelmäßigkeiten zu decken.

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