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Politisch nichts umgesetzt

■ In- und ausländische Wissenschaftler diskutierten auf Einladung von Umweltsenatorin Schreyer „zukünftige Energiesparpolitik“ für Berlin

Am Ende wurde Helmut Spitzley nochmal richtig munter: „Wenn der rot-grüne Senat es hier nicht schafft zu klotzen, statt zu kleckern, gibt es keine Hoffnung!“ Da müsse mehr geschehen, als „drei Leute in einem schwachen Ressort anzusiedeln“. Mit seinem verzweifelten Appell wollte der aus Bremen angereiste Professor und Energieexperte dem dreiköpfigen Häuflein verbal unter die Arme greifen, das seit Anfang des Monats in Michaele Schreyers Umweltressort unter dem Titel „Energieleitstelle“ firmiert. Klaus Müschen, Chef der frischgegründeten Mini-Behörde, bedankte sich brav. Daß Müschen, der erst vor einigen Wochen von der Uni Hamburg nach Berlin gewechselt war, sein neuer Job inzwischen ein bißchen unheimlich geworden ist, wurde spätestens klar, als er am Dienstag nachmittag den etwa dreißig Teilnehmern des Workshops Zukünftige Energie-Einspar-Politik im Tegeler Novotel Größe und Rahmenbedingungen seiner Aufgabe nahezubringen suchte.

Um nicht mehr und nicht weniger gehe es, als um die „Koordination der energiepolitischen Wende in Berlin“. Das bedeute beispielsweise den Umbau des Stromversorgers Bewag in eine Art Öko-Konzern, entsprechend den Vorgaben in der rot-grünen Koalitionsvereinbarung vom Frühjahr. Das ganze unter den denkbar schlechtesten Rahmenbedingungen: Nicht nur mit dem „Konservatismus und der Ignoranz der energiepolitischen Akteure“ werde man zu kämpfen haben, ahnt Müschen, sondern insbesondere mit einer schier unglaublich „zersplitterten Planungskompetenz“. Diese erlaube der Energieleitstelle zwar, schöne Vorschläge für eine umweltschonende Berliner Energiezukunft zu unterbreiten. Zur Umsetzung sei jedoch die Kooperation mit nicht weniger als fünf weiteren Senatsverwaltungen nötig. Der Wirtschaftssenator ist zuständig für die Preis- und Investitionsaufsicht über die Bewag, der Bausenator für die Förderrichtlinien beim Wohnungsneubau und der Altbausanierung (zum Beispiel für ein Verbot der unter Umweltgesichtspunkten unsinnigen Stromheizung oder Warmwasserbereitung mit Strom), der Finanzsenator für die Konzessionsverträge mit der Bewag und Investitionen der öffentlichen Hand im Energiebereich, der Innensenator für die Personalausstattung beispielweise bei der Energieberatung und so weiter und so fort. Außerdem zeigt die Stromverbrauchskurve (bei stagnierendem Primärenergieverbrauch) seit Anfang der achtziger Jahre wieder kontinuierlich nach oben.

Ob angesichts einer solchen Ausgangssituation auch nur die inzwischen als zu lasch erkannten Vorgaben der Weltklimakonferenz von Toronto - 20 Prozent CO2-Reduktion bis zum Jahr 2005 - erreicht werden können, bezweifelte denn auch die Mehrheit der in Tegel versammelten Wissenschaftler aus dem In- und Ausland. Dabei herrscht an detaillierten Rezepten zur Umgestaltung des Energiesystems, zur rationellen Energienutzung und Einführung regenerativer Energiequellen keinerlei Mangel. Professor Martin Jänicke von der Forschungsstelle für Umweltpolitik der FU sieht gar eine „generelle Tendenzwende“: Weg von der sogenannten Angebotslogik der Stromversorger, die auf wirtschaftliche Wachstumserwartungen noch stets mit immer neuen Kraftwerksblöcken reagiert haben und hin zu einem Konzept, bei dem erst dann die Stromkapazität und damit die Klimabelastung erhöht werden darf, wenn dieselben Energiedienstleistungen nicht billiger durch effiziente Energienutzung bei den Verbrauchern erreicht werden können. Neudeutsch heißt das „least cost planning“ (Minimalkostenplanung). Das Verfahren wurde inzwischen den Stromversorgern in 17 US-amerikanischen Staaten verbindlich vorgeschrieben - für Jänicke ein „atemberaubender“ Vorgang. Daß bezogen auf Strom und Wärme mindestens die Vorgaben der Toronto-Konferenz eingehalten werden können, rechnete der Bremer Professor Spitzley seiner Hansestadt vor. Mehr noch, am Ende gebe es auf allen Seiten nur Gewinner, weil Riesensummen fürs Öl nicht mehr bei den Scheichs in den „Vereinigten Emiraten“ landen würden: Die Stromversorger könnten wie bisher satte Gewinne einfahren, der städtische Haushaltssäckel werde entlastet, die Verbraucher hätten ebenfalls mehr im Portemonnaie und - natürlich - die Umwelt werde entlastet. Dies alles könnten durchaus Blütenträume bleiben, meinte Klaus Ziesing vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), der Anfang der achtziger Jahre bereits an der Enquete-Kommission „Zukünftige Energiepolitik“ des Abgeordnetenhauses mitgearbeitet hatte. Von all den „schönen Vorschlägen“ sei bis heute „praktisch nichts umgesetzt“.

Wie groß die Widerstände gegen eine wirksame Energiestrategie sein werden, konnte man in Tegel nur ahnen. Etwa als Hans-Holger Ferstl von der Bewag die Wirksamkeit der Wissenschaftler-Rezepte in Frage stellte oder auch mehr oder weniger offen Obstruktion ankündigte: „Sie können nicht mit denen, die gewohnt sind, Kraftwerksblöcke zu bauen“, wandte sich Ferstl an Müschen, „aus dem Stand ein Energieberatungsunternehmen machen.“ Und Wirtschaftssenator Peter Mitzscherling, der sich im Vorfeld strikt geweigert hatte, den von FU und Umweltsenatorin Schreyer veranstalteten Workshop finanziell mitzutragen, signalisierte demonstrativ Desinteresse. Erst gegen Ende schickte er einen Vertreter. Der saß da und schwieg.

Gerd Rosenkranz

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