piwik no script img

Hurra, wir leben - noch eben

■ 1111 Tage taz, oder: Der Unterschied zum Märchen aus tausend und einer Nacht

„Oooch“, sagt der Kollege Redakteur lässig, „dazu fällt mir überhaupt nichts ein.“ - „Oooch, was fällt mir dazu ein? “, fragt sich ein anderer und findet dann: „Es gibt positive Aspekte.“ Männer. Auch der Senatssprecher stöhnt bei der Frage erst einmal auf und bittet um Bedenkenzeit, ehe er erklärt, daß die Jubilarin irgendetwas mit einem Rettich gemein hat: scharf und pikant und manchmal penetrant im Geschmack. Die taz nach gut drei Jahren oder 1111 Tagen Bremer Regionalausgabe. Ein so selbstverständliches Stück Bremer Pressefrechheit, daß niemandem kaum noch etwas einfällt?

25 Namen stehen auf dem klei

nen Zettel: das Telefonver zeichnis „taz-intern“, gerade aktualisiert. Die Namen der MitarbeiterInnen in Redaktion und Verwaltung, die ganz oder ziemlich fest, viertel-, halb-, oder ganztags, auf Honorarbasis oder mit Arbeitsvertrag für die „taz-Bremen und umzu GmbH“ arbeiten. Die AusträgerInnen eingerechnet, die nachts bei Wind und Wetter per Fahrrad durch die Straßen der zentralen Stadtteile jagen und die taz in Bremer Briefkästen stecken, bietet die taz Bremen inzwischen mehr als 50 Personen viel Arbeit, etwas Lohn und in der Regel sogar beides.

Womit wir beim Problem der Bremen-taz auch drei Jahre nach

der Nummer eins sind: Trotz leicht gestiegener Einnahmen hat sich das Defizit wieder erhöht. Im Herbst 1987 haben wir dazu aufgerufen, GesellschafterIn der taz-Bremen zu werden und mit einer 1.000 Marks-Einlage das Überleben zu ermöglichen. 100.000 Mark kamen zusammen, gespendet von BremerInnen, denen das Projekt für sage und schreibe mindestens 1.000 Mark am Herzen lag. Damit haben wir bis heute, also fast zwei Jahre lang, die Defizite aus dem laufenden Betrieb abgedeckt - lächerliche Summen, verglichen mit anderen Zeitungsprojekten und nur möglich durch libidinöse Selbstausbeutung. Ein monatliches Defi

zit, das sich inzwischen trotz gestiegener Auflage nur wenig gesenkt hat, denn etliche der redaktionellen MitarbeiterInnen sind aus arbeitsamtsfinanzierten Umschulungsmaßnahmen herausgewachsen und nun festangestellte RedakteurInnen geworden.

Einer ist zur taz-Berlin gegangen, einige haben sich als „freie“ JournalistInnen selbständig gemacht. Ein Blick auf das Telefonverzeichnis zeigt die Fluktuation: Von den 25 Namen waren bis vor einem Jahr zwölf in der taz-Bremen unbekannt. Neue Gesichter, neue Gesichtswinkel, neue Gesichtspunkte - heute abend auf dem taz-Fest sind sie im Modernes live zu besichtigen. Und wir

hoffen, daß Sie alle kommen: die Sie die taz manchmal unersetzlich finden und manchmal unerträglich, uns bitterböse Briefe schreiben und mit Abokündigung drohen und uns dann wieder Insider-Tips und geheime Informationen zukommen lassen.

„Viel Mühe und Arbeit“, fällt einer Kollegin zum Jubiläum ein. „Und Spaß und Kekse und Adrenalin“ einer anderen. Und daß soviel gelacht wird, mit Tränen in den Augen. Und die Freude, wenn wir doch auach mal zufrieden sind mit der gedruckten Arbeit eines Tages. Einer hat einen Einfall: Wie ein „Märchen aus tausend und einer Nacht“ sei das Schnapszahl-Jubiläum.

taz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen