: Nicht im Regen stehengelassen
■ Trotz Topzuschlag bleibt die Ostkurve treu / Werder 6, Stuttgart 1
„Jungs, laßt uns nicht im Regen stehen.“ Die „Green-White -Fighters“, so stand es in eben diesen Farben am Ärmel der Fans, munterten Werder Bremens Fußballprofis beim Aufwärmen auf. Und ihr Wunsch wurde erfüllt: Der Regen hörte mit dem Anpfiff des Spiels gegen den VFB Stuttgart auf. Die Fans wurden äußerlich trocken, innerlich naß. Tor für Tor stieg bei den Fighters der
Bierkonsum. Am Ende jubelten sie nur noch, Werder & Tore. Stuttgarts Gegentreffer interessierte nicht mehr.
Ebensowenig interessierte der Topzuschlag mehr. Schließlich empörten sich vor dem Spiel etliche Ostkurven-Fans, daß sie noch an der Abendkasse 12 Mark für den Stehplatz zahlen mußten, während Sitzplätze auf der Westseite für 10 Mark (oder auch umsonst) verramscht wurden.
Noch weniger interessierten die Unkenrufe der ersten 20 Minuten. Werder stürmte, vergab - wie in den letzten Spielen -gute Tormöglichkeiten. „Das kann nicht gut gehen, das rächt sich noch.“ Der Experte aus Aurich wußte es ganz sicher. „Wenn Stuttgart ein Tor schießt, dann geht doch der A.... auf Grundeis.“ Da stands durch Meier und Rufer schon 2:0, doch das beirrte den Dauernörgler nicht. „Allgöwer schießt wie ein Strich.“ Er meinte wohl den Ball, der tatsächlich gradlinig aus 30 Metern auf Werders Tor flog und im Nachschuß Stuttgart das 2:1 brachte.
Kurz. In der zweiten Halbzeit am Freitag abend war alles vergessen. Die weiteren vier Tore fielen, wie in Presse, Funk und Fernsehen berichtet. Werder erwartet Austria Wien zum UEFA-Pokalspiel und alle Fans sind optimistisch bis euphorisch.
Bis auf die wahren Dauerfans
in der Ostkurve. Das sind die Leute um das (ehemalige) Fan -Projekt und das ist die Expertengruppe um Dr. Herberger jr., zwei Gruppen, die Werders Stärken und Schwächen schonungslos analysieren. So sind sie der Wahrheit des Spiels immer etwas näher.
„Da müssen die aber entschlossener reingehen, hinten bei Werder gegen Wien„(O-Ton Projekt. „wenn der Borowka jedesmal so auf die Gegner eintritt, erlebt er das Viertelfinale nicht„(O-Ton Herberger jr. Club).
„Also, der Rufer ist ja mehr Wert als 600.000. Rufer für Deutschland!„(O-Ton Projekt). „Der Rufer ist besser als Bein und Mill zusammen, schade, daß er Neuseeländer ist„(O-Ton Herberger jr. Club). „Der spielt ja eleganter als Völler, der Rufer„(Herberger jr.). „Rufer, Wynton, Rufer, Wynton“ (Projekt).
„Nee, der Rune, was ist bloß los? Ach, der Lange, der hat ja
keine Beine, nur Stelzen. Hauptsache, der Neubarth macht sein Tor.“ „Ob der Bratseth vom Glauben abgefallen ist, der war doch schon viel sicherer. Und der Neubarth-so langsam, viel zu langsam. Toor! Dafür ist der Neubarth immer gut.“
Mit der Dauer des Spiels nähern sich O-Töne und Analyse an. Allerdings. Herberger jr. setzt noch einen drauf. „Schwarze Sau!“ „Pauly“ fällt dem Ex-Fan-Projekt zum konfusen Schiedsrichter Broska (aus Schalke natürlich! Wat soll dat denn heißen? Beule, oder wat?! d. S.) nur ein. Herberger jr. hingegen ganz strategisch. „Jedesmal auspfeifen macht den Schiri weich. Irgendwann mal ist der reif für einen Elfmeterpfiff.“ 28 Minuten beherrschte sich Broska, dann hatte die Strategie gesiegt. Foul an Bratseth, Pfiff. Schuß Kutzop. Tor.
Klare Analyse: „Einer geht noch, einer geht noch...“ Er ging noch rein. Von Rufers Fuß.
„Jungs, wir werden Meister. Ihr seid die Größten“, sangen die Fans.„Jungens, Euch gehört der Himmel“, erklärte Herberger jr. „Das sangen die Fans 1947 schon in Erkenschwick. Oberliga West. Gabs ganz neu als Buch auf der Buchmesse. Der Ball ist eben rund.“ Dieter Mützelbur
/ Anke Vennegeer
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