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PRIMA LEBEN UNTERM STIEFEL

Montagsexperten kommen zu Wort: Jochen Rindt  ■ Ü B E R L E B E N S B Ö R S E 8 9

Eine große deutsche Tageszeitung wirbt mit dem Spruch „Dahinter steckt ein kluger Kopf“. Lange habe ich gerätselt, was dieser Spruch zu bedeuten habe, als mir aufging, daß er ein Signal an den intelligenteren Teil der Leserschaft ist. Und zwar folgendermaßen: Lieber Leser, noch bei dem allerabgrundtiefsten Humbug, den wir hier verbraten, den du auf diesen Seiten liest, sei dir versichert, daß wir in Wirklichkeit viel intelligenter sind als das, was wir schreiben. Wir sind, mit einem Wort, viel klüger als unser Produkt. Wir sind sogar so klug, daß wir unsere Zeitung nicht so klug machen, wie wir können, damit du, lieber Leser, immer noch den Ausweg hast, einen klugen Kopf dahinter zu vermuten.

Ein auf den ersten Blick bestechender Gedanke, der sich auch auf andere Medien ausbreiten ließe. Neulich hörte ich zum Beispiel im Radio eine dieser deutschen Rockbands bei einem Interview. Und wie die es nicht unterließen, in jugendlicher Frische darauf zu insistieren, daß sie nicht kreuzdämlich sind, sondern auch noch stolz drauf; und wie sie sich gegenseitig bewiesen, daß kein dummer Spruch zu alt ist, um nicht noch einmal verbraten zu werden, da dachte ich: so schlecht kann die Welt nicht sein, dahinter muß ein kluger Kopf stecken.

Oder: man nehme die Unterhaltungssendungen im Fernsehen. Würde beispielsweise ein halbwegs bei Trost seiender Mensch darauf kommen, ausgerechnet Reinhard May für die Moderation einer Satire-Show zu gewinnen? Nein! Natürlich nicht! Satire darf schließlich alles, und May riskiert mit seinen lauen Liedern nichts. Und dennoch war es eben dieser Über-den -Wolken-Reinhard, der am vergangenen Samstag eine Satire -Show in der ARD moderierte (nun gut, wenigstens durfte er nicht singen). Was mich wiederum vermuten ließ, daß hier ein ausgesprochen perfider Kopf am Werke gewesen sein muß, als die Entscheidung für May fiel.

Manchmal stelle ich mir vor, daß der Oberchef diese Unterhaltungssendungen ein ehemaliger 68er ist, der, bestrebt, das Niveau von Sendung zu Sendung, von Show zu Show zu senken, die Verhältnisse auf die Spitze treibt, bis die absolute Schmerzgrenze erreicht ist und das Volk rebelliert. Das müßte ein Mann vom Format des Oberinquisitors bei Dostojewski sein.

Doch sind solche Überlegungen im Grunde genommen Ausflüchte, um der Wahrheit nicht ins Gesicht sehen zu müssen. Denn wo der Großinquisitor von Dostojewski noch ein teuflischer Taktiker war, da wird heute aus dem Brustton der Überzeugung gehandelt. Die Köpfe dahinter sind wie ihre Produkte: an ihren Taten kann man sie erkennen.

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