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Das Zählen von Köpfen ist teuer

■ Land Berlin hat 29 Millionen für Volkszählung hingeblättert / Daten mittlerweile zwei Jahre alt / Höhe der „Einnahmen“ aus Buß- und Zwangsgeldern noch unklar

Ein teures und zweifelhaftes Vergnügen - rund 38 Millionen Mark hat die Volkszählung allein in Berlin gekostet. Da der Bund mit rund neun Millionen Mark in Form einer Finanzzuweisung zur Hilfe sprang, mußte das Land Berlin „nur“ noch 29 Millionen berappen - eine Summe, mit der man großzügig berechnet, rund 700 ErzieherInnen oder SozialarbeiterInnen ein Jahr lang in Lohn und Brot stellen könnte. Pro Kopf ergibt die Volkszählung einen Kostenaufwand von 19 Mark, wie Innensenator Erich Pätzold auf eine Anfrage des AL-Abgeordneten Bernd Köppl errechnen ließ. Kalkuliert hatte man ursprünglich mit 4,50 Mark - eine Diskrepanz zwischen Planungs- und Ausführungskosten, die man sonst eher aus dem Baubereich kennt.

Dank des Volkszählungsboykotts steht der Landeskasse zumindest eine kleine finanzielle Linderung ins Haus. Über die Einnahmen aus Buß- und Zwangsgeldern für Zählungsunwillige konnte Pätzold allerdings noch keine genauen Angaben machen. Auf die Frage, was hat's gebracht, antwortete man in der Innenverwaltung eher ausweichend. Statistische Angaben - auch aus der Volkszählung - fänden „kontinuierlich Eingang in die Planungen des Senats“. So würde zum Beispiel zur Zeit gesondert Datenmaterial aus der Volkszählung für die Verkehrsentwicklungsplanung oder die Wohnungsmarktentwicklung erstellt. Daß der Stichtag mittlerweile über zwei Jahre zurückliegt, hält man in der Behörde für bedauerlich, aber „unvermeidbar“. Über die Tauglichkeit solch veralteter Daten gehen die Meinungen auseinander. Die Situation sei immer noch besser als vor der letzten Volkszählung, als die Daten bereits mehr als anderthalb Jahrzehnte alt gewesen seien.

War das Zählen schon schwer genug, so gestaltet sich das Auswerten offenbar noch umständlicher. Die im Statistischen Landesamt installierte Datenverarbeitungsanlage - damals extra zur Beruhigung „besonders sensibilierter Teile in der Bevölkerung“ eingerichtet - ist immer noch in Betrieb, da die „Aufarbeitungsarbeiten“ zur Volkszählung voraussichtlich erst im September 1990 abgeschlossen sein werden. Bis dahin dürfte die Zuwanderung von Aus- und ÜbersiedlerInnen das Rechenwerk ohnehin über den Haufen geworfen haben.

taz

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