: Gefangenschaft in Freiheit-betr.: "Räume, Zeiten, Maschinen", taz vom 4.10.899
betr.: „Räume, Zeiten, Maschinen“, taz vom 4.10.89
Der Mensch als passives Tier - nicht mehr weit entfernt von dieser Realität scheinen wir zu sein. Übertrieben? Kassandrarufe? Jugendliche erleben das an ihren Vätern schon und steigen um - ab in die Traumwelten mit Drogen Hilfe. Was braucht's da noch viele Untersuchungen? Alles Hilf -Losigkeiten, lange Bank, Abschieben. Viel gescheites Gerede, nur nichts umsetzen. Geht, bereits schon alle Energie in Bewußtseins-Arbeit? Ist der „Herbst der westlichen Demokratien“ eingeläutet, beißt sich die Schlange in den Schwanz? Die Kapitalflucht vom Süden in den Norden spricht Bände.
Liegt unsere Kraftlosigkeit etwa an der Art unseres Analysierens? Wenn vermeintliche Ökologen, wie jüngst in Stuttgart geschehen, ratschlagen, dann bleibt zum Beispiel in puncto Waldsterben alles am Ende ratlos, weil fachverhaftet. Nie werden wir auf solche Weise den Punkt erreichen, um Technikfolgen-Forschung treiben zu können. Das Descartesche Vermögen, umfassend zu reflektieren, hätte den Hirntod erlitten. Man übergibt in vielen Machtzentralen die Vorarbeit schon der eingeschränkten, weil unreflektierten Software. Entscheidungen fallen entsprechend kleinkariert aus: Gefangenschaft in Freiheit!
Die Göttin Natura lächelt noch, wie es scheint, eine Weile milde, antwortet aber mancherorts schon deutlich: Viele „gewohnte“ Erscheinungen wie Wirbelstürme und Schädlingsplagen haben Gewichte angehängt bekommen („seit 40 Jahren die stärkstens Auswirkungen...“).
Da spekulieren Autokonzernbosse über steigende Konkurrenz, Fusionen und Absatzzahlen, als ob sie von Nasa- und Esa -Programmen eine Erweiterung ihres Spielraums annähmen. Der Spielraum liegt eindeutig in unserem Kopf. Finden dort keine Vernetzungen zwischen links und rechts, vorne und hinten, oben und unten statt, geht keine irdische Rechnung mehr auf, wird man in 100 Jahren Konferenzen unter Ascheregen mumifiziert ausgraben können. Nach wie vor gilt der Satz: Vertrauen in die Fähigkeiten des Menschen, aus seiner steinzeitlichen Emotionalität in die Sphäre der Vernunft aufzusteigen, ist das Agens jeglicher Bildung, verstanden als evolutionärer Akt in der Kinderstube wie in der Gemeinschaftsaufgabe, genannt Politik.
Gisela Canal, Ulm
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