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Wehe sie erinnern sich

■ Walter Janka, bis 1956 Chef des Aufbau-Verlages, las

„Wer das Gemetzel auf dem Platz des himmlischen Friedens bejubelt, verdient nicht unseren Respekt und unsere Achtung.“ DDR-Bürger Walter Janka, der das klar und laut im Bremer Dom-Kapitelsaal am Mittwochabend sagte, ist 75 Jahre alt, in den Aufbaujahren der DDR war er Leiter des „Aufbau -Verlages“. Walter Janka hat damals gegen jede Art von Schikanen durch den Kulturminister Johannes R. Becher Bücher der literarischen Intelligenz veröffentlicht: Thomas Mann, Bertolt Brecht ... 1956, nach der Niederschlagung der ungarischen Räte-Republik, wurde Janka als Konterrevolutionär und Lukacs-Vertrauter verhaftet und zu 5 Jahren strengstem Zuchthaus verurteilt. Das hat diesen Mann geprägt, verbittert, dreißig Jahre lang hat er öffentlich geschwiegen, an seiner Erinnerung sollen sich die SED -Fürsten reiben.

Damals, erzählt Janka, saßen selbst hochangesehene SchriftstellerInnen wie Anna Seghers und Helene Weigel in dem Ge

richtssaal - und schwiegen. Auf der Pressebank saßen einige, die von den Nazis dekoriert wurden und berichteten nun linientreu für die sozialistische Tagespresse.

Der DKP-Bezirksvorstand hatte sich kurz vor der Veranstaltung mit Janka solidarisiert und fordert die volle Rehabilitierung. Er habe erst durch das Rowohlt-Buch „Schwierigkeiten mit der Wahrheit“ von diesem Schicksal gehört, gestand der Hochschullehrer Wolfgang Jantzen. Die alten Bremer Kommunisten, die die 50er Jahre aus eigener Biografie kennen, waren vorsichtshaber nicht gekommen.

Janka ist unerbittlich mit seiner Erinnerung. Er legt „keinen Wert darauf, von denen rehabilitiert“ zu werden aber rehabilitiert werden will er. Aus der DDR weg in den Westen gegangen sei er nicht, weil er Ulbricht und dem Vorwurf, er sei politischer „West-Agent“, nicht nachträglich Recht geben wollte.

Es gibt kaum einen von Rang und Namen in der DDR, der sich nicht die Hände schmutzig gemacht hat, und wer Janka zuhört, beginnt zu ahnen, was auf die Machthaber in der DDR und auch auf Halb-Offizielle wie etwa Christa Wolf oder Hermann Kant zukommt, wenn alle frei sich erinnern dürfen.

K.W.

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