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WAS WOLLTE ICH VOM VERBAND?

■ Der Verband der Filmarbeiterinnen feiert zehntes Jubiläum. Ula Stöckl resümiert

Jetzt wollen wir zehnjähriges Jubiläum feiern und dabei die Frage unseres Lebens oder Sterbens als Verband klären. Und erst gestern, als einem der wenigen Male, wo ich uns nicht um absurdeste Zuständigkeiten und Prioritätsfragen zetern hörte, als ich Wärme empfand, die aus dieser Runde kam, und eine Art von Veteranenzugehörigkeit, fühlte ich die ganze Bitterkeit über die vielen Stunden sinnlosen Streitens, über die Verletzungen, die Frauen erfahren haben und immer weiter erfahren, sogar - und wieso auch nicht? - von denen, die sich am solidarischsten meinen und trotzdem kein Allheilmittel haben, Zurücksetzungen immer zu verhindern.

Was wollte ich vom Verband? Daß er filmpolitisches Kampf -Instrument ist, das mir erlaubt, „wir wollen“ zu sagen, und mir erspart, sagen zu müssen „ich„ will. Der mir in Gemeinschaft mit Gleichgesinnten erlaubt, einen Forderungskatalog aufzustellen, den ich als Zugehörige eines Verbandes mit den Mitteln der Demokratie versuche durchzusetzen. Sinn und Zweck dieser Übung war und wäre für mich ein einziger: mir und anderen zu ermöglichen, meinen Beruf auszuüben, und bitte, davon leben zu können wie jede/r andere Berufstätige auch.

(...) Mit verschwindend geringen Ausnahmen sind die Geldverteiler in den öffentlich-rechtlichen Anstalten Männer. Männer und Frauen in den Anstalten jammern von Jahr zu Jahr bei festen Gehältern immer mehr über ihre zunehmende Unfähigkeit, Filme mitzuproduzieren, die über das große Glück verfügen, von irgendwelchen Gremien einen Zuwendungsbescheid erhalten zu haben, sprich: eine kleine Geldsumme, die nach bestehenden Regeln nur im Ausnahmefall etwas anderes darstellt als der Teil eines noch zu findenden Budgets.

Der Verband der Filmarbeiterinnen hat auf Initiative von Rosemarie Schatter im letzten Jahr während der Feminale eine hochinteressante dreitägige Veranstaltung durchgesetzt. Sie hieß: Brauchen Frauen einen eigenen Kanal? Rosemarie hatte hochkarätige Referentinnen eingeladen, und ich war richtig stolz auf die Sachkenntnis, Professionalität und Klugheit der Frauen, die dort geredet haben. Allerdings mit der Einschränkung, daß mir gar nicht gefiel, was Sybille Rahn (ZDF) und Jutta Brückner sagten: Die eine beschwor uns immer wieder, nicht auf die Nischen verzichten zu wollen, die das Fernsehen doch immer noch für die eine oder andere bereit halte, und Jutta beschwor uns, Seilschaften zu bilden. Nun ja, soweit ich weiß, hat noch nie eine Frau nicht mit dem Fernsehen produzieren wollen, und was die Seilschaft angeht, so entgeht mir seit langem, wie hoch, wie tief und wie kalt die Klamm ist, in der ich die Frauen in den letzten zehn Jahren hängen sehe, ohne die geringste Aussicht auf irgendeine Verbesserung. Oder gar Änderung.

Die sachverständigen Frauen teilten uns im Detail mit, welche Herren sich im Augenblick die Welt, satellitenmäßig, untereinander aufteilen, und auf welche Weise eigentlich kaum noch damit gerechnet werden kann, daß die Anstalten Geld für Neuproduktionen ausgeben wollen oder können, sind sie doch restlos damit ausgelastet, das bereits bestehende Potential an fertigen Filmen aus alter und neuer Zeit auszubeuten und auf den verschiedenen Kanälen zu verschiedener oder zur selben Zeit hin- und herzuschieben. Dazu kommen noch alle die hübschen Serien aus Amerika und Japan.

Klartext: Wenn nicht etwas „Dörrie“ am Film ist, muß Frau ihr Thema vergessen. Und wenn sie es nicht tut, muß sie sich was ausdenken.

Aber was?

Letztes Jahr in Köln war völlig klar, überlebt hat in England nur eine alternative Co-Op, die vor zehn Jahren mit elf Männern und einer Frau begann. Heute sind es elf Frauen, und ich weiß nicht, ob wirklich nur noch einem Mann, jedenfalls sind heute die Frauen in der Überzahl, und die Co -Op besitzt eigene Kinos, Produktionsmittel, ein Pferd und ein Schiff. Sie produzieren professionell, aber eben alternativ, und das heißt, wenn überhaupt, muß man sich auch hierzulande wieder eine Möglichkeit erkämpfen, alternativ zu produzieren. Das heißt aber nicht unbedingt Super-8 oder Video, denn einige von uns lieben eben bedingungslos die Leinwand.

Aber das kann heißen: Umgehung der Gremien. Das kann heißen, wie vor 20 Jahren mal möglich, eine Ecke wie damals das Kleine Fernsehspiel im Sender, die frisch genug ist, um auf zwei Seiten Expose hin Mittel zur Verfügung zu stellen. Damals bewegten sich die Mittel zwischen 20.000 und 100.000 Mark. Heute ist alles zehnmal teurer. Dementsprechend müßte die entsprechende Ecke heute zwischen 200.000 und einer Million Mark zur Verfügung stellen. Denn was hat dieses Symposium in Hamburg während des Low-Budget-Festivals erarbeitet? Damit Filme sich rentieren, müssen sie um die 14 bis 20 Millionen Mark kosten, alles andere ist Pipifax.

So, Frauen, das war mein Bericht zur Lage der Nation. Ist doch mal ganz interessant, einem Teil der Realität ins Gesicht zu sehen, mit der wir zu tun haben.

Oder glaubt ihr, daß es in diesem Land in absehbarer Zeit eine Ecke geben wird, die einem Projekt, das seine/n Macher/in wirklich interessiert, zwischen 200.000 und einer Million Mark zur Verfügung stellen wird, in dem es ein Problem ist, fehlende 70 Prozent eines Budgets zu finden, für das schon 30 Prozent zugesprochen wurden?

In dem von den zuständigen Stellen (FFA) vorhandene Gelder nicht zur Vertriebsförderung von Filmen freigegeben werden, die mit öffentlichen Geldern (BMI) gefördert wurden und möglicherweise Preise gewonnen haben?

In einem Land, in dem es allen Beteiligten zunehmend unklarer wird, was sie eigentlich unter Filmkunst oder Filmkultur zu verstehen haben, es sei denn, es handelt sich um Werke aus der Vergangenheit oder um den einzigen wirklich anerkannten Repräsentanten unserer Gegenwart: Wim Wenders? Wo sogar der Schwierigkeiten hat?

Ich sehe im Augenblick nirgendwo einen Ansatz, den man zum Ziel erheben könnte. Auch dann nicht, wenn die 50 Prozent erreicht würden: Denn dort, wo das im Moment so ist, bei den kulturellen Filmförderungen, ist dafür gesorgt, daß nur ganz, ganz wenig damit ausgerichtet werden kann: Die Gelder sind so knapp bemessen, daß auch bei Höchstzuwendungen nicht auf andere Geldgeber verzichtet werden kann. (Schon aus Gründen des Reglements.)

(...)

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