Freigehege für Hühner - Käfighaltung für Kids-betr.: "Kein Platz für Kids und Knetgummi", taz vom 13.10.89
Betr.: „Kein Platz für Kids und Knetgummi“, taz vom 13.10.89
Na endlich lese ich mal etwas über die „traumhaften“ Arbeitsbedingungen als Erzieherin. Ich habe in einer Kita im Wedding als Springerin gearbeitet.
Da die meisten Kitas von sechs bis sechs geöffnet sind, muß eine Art Schichtdienst geleistet werden. Und da braucht man/frau eine Blöde, die diese Zeiten abdeckt. Von den Krankheits-, Urlaubs- und Überstundenvertretungen mal ganz abgesehen.
Die lieben Kolleginnen offerierten mir gleich, daß meine Vorgängerin Selbstmord begangen hätte und deren Vorgängerin wiederum in psychiatrischer Behandlung sei. Na, an der Arbeit mit den lieben Kleinen kann es ja nicht liegen, das ist doch die Erfüllung jeden Frauenlebens.
Die wichtigsten Grundsätze der Arbeit wurden mir auch bald von der Leitung vermittelt. Ich mußte meine Turnschuhe aus dem Mitarbeiterinnenzimmer entfernen, sie störten die Ordnung. Den nächsten Rüffel bekam ich wegen mangelnder Blumenliebe: „Wie sehen denn die Blumen in Ihrem Raum aus, das gehört auch zu Ihren Aufgaben!“ Und so ganz nebenbei wuseln noch mindestens 15 bis 25 Kids um frau herum.
(...) Die meiste Zeit des Tages ist mit der Trennung von beißenden, tretenden, boxenden Kindern, Hose auf, Hose zu, Frühstück, Mittagessen, Schlafwache, „Kaffee“ trinken und vollgepinkelte Hosen wechseln ausgebucht. Da wird das Freilandgehege für Hühner gefordert: Was ist mit den Kids, die auf engstem Raum eingepfercht sind?
Von zu Hause werden genügend Aggressionen mitgebracht, die in der Kita durch die Käfighaltung noch verstärkt werden und sich dann an den Schwächsten entladen. Was sollen das mal für Erwachsene werden?
Und wer soll zu diesen Bedingungen arbeiten? Es ist doch mal wieder bezeichnend, daß der Großteil Frauen sind. Mir wird immer klarer, es ist nur eine verschobene Hausfrauen und Mutterrolle mit geringer Anerkennung. Da muß ich mich doch schämen, dafür noch Geld zu nehmen!
Heide, Berlin
