: Vaclav Havels ungehörter Ruf-betr.: "Laudatio auf Havel", taz vom 16.10.89
betr.: „Laudatio auf Havel“,
taz vom 16.10.89
Euer vielleicht fünfprozentiger Auszug seiner Rede reicht mir nicht aus - er verdeckt eher die Radikalität, mit der Havel argumentiert, es war schließlich kein literarisches Sonntagsargument.
Havel vergißt auch nicht, Leute wie Ivan Jirous in ihr zu erwähnen, der nur wegen eines Aufrufs zur Untersuchung von Morden in den Gefängnissen der CSSR 16 Monate erhielt, und nunmehr der nach vielen ähnlichen Prozessen sicher an die zehn Jahre im Knast verbracht hat. Ivan Jirous ist der Fritz Teufel der CSSR.
Seit 20 Jahren, inmitten totaler Sonnenfinsternis, versuchen die Leute dort so zu leben, als ob sie frei seien, und verlieren dabei so ziemlich alles, was wir hier an Bequemlichkeiten so in uns herumtragen. Ihr Ego ist gut geschliffen - Jahre der Meditation schaffen das bei uns kaum.
Wir sind deshalb auch hinter der Mauer. Wir brauchen die PolitikerInnen und SozialistInnen überhaupt nicht. Wiedervereinigung hört sich auch wie die Neuauflage der katholischen Ehe an. Was wir brauchen, ist Neugier auf unsere Freunde dort, mehr nicht - und nicht vermittelt vom teutschen Fernsehen.
Christof Assheuer, zur Zeit Berlin
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