: Zum Beispiel Frantisek Starek
Dreißig Monate Haft wegen Herausgabe eines inoffiziellen Prager Kulturmagazins ■ P O R T R A IT
Zur „Woche der politischen Gefangenen“ von amnesty international heute das Portrait eines tschechischen Publizisten:
Berlin (taz) - Frantisek Starek, 37jähriger Techniker und Mitunterzeichner der Charta 77, hat sich in den vergangenen Jahren vor allem einen Namen als Untergrundpublizist gemacht. Seit langer Zeit arbeitet er in illegalen Kulturgruppen und gibt das bekannteste inoffizielle Kulturmagazin der CSSR, 'Vokno‘ (Fenster), heraus. Daneben hat er die verbotenen Werke des Dramatikers Vaclav Havel mit seinem Verlag einer größeren Leserschaft zugänglich gemacht. Am 28.6.89 wurde Starek wegen „Aufwiegelung“ zu 30 Monaten Haft verurteilt. Seine Verlobte, Iva Vojtoka, erhielt wegen „Beihilfe“ eine einjährige Haftstrafe auf Bewährung. In ihrer Wohnung war die Druckmaschine Stareks beschlagnahmt worden. Das Urteil gegen Starek ist seit Beginn einer neuen Repressionswelle Mitte letzten Jahres das härteste, das gegen Oppositionelle verhängt wurde. Jahrelang hatte die CSSR-Regierung die Strategie verfolgt, durch Berufsverbote, Kurzzeitinhaftierungen und Hausdurchsuchungen die Opposition kaltzustellen, ohne dabei massive internationale Proteste zu provozieren. Das Urteil im Falle Starek deutet nun auf eine härtere Gangart hin, die mit dem Erstarken oppositioneller, nicht nur intellektueller Gruppen in der CSSR seit dem 20.Jahrestag der Niederschlagung des Prager Frühlings im Zusammenhang steht. Für die KPTsch heißt das, daß ihre Strategie durch Entpolitisierung und Gewähr relativen Wohlstands, den Status quo und ihre Macht zu erhalten, letztlich nicht aufgegangen ist. Wie verunsichert der Machtapparat derzeit ist, zeigt auch das erneute Vorgehen diese Woche gegen 15 Mitglieder des tschechoslowakischen Komitees der Internationalen Helsinki Föderation (IHF), darunter ihr Vorsitzender, der ehemalige Außenminister aus der Dubcek-Zeit, Jiri Hajek. Nach mehreren Stunden Verhör sind jedoch alle Mitglieder wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Jiri Hajek erhielt am Donnerstag sogar eine Ausreiseerlaubnis zum Parteitag der österreichischen Sozialdemokraten. Hintergrund dieser Aktion könnte die Angst der tschechoslowakischen Regierung vor Aktionen der Opposition anläßlich des 71.Jahrestages der Gründung der Tschechoslowakischen Republik (CSR) am 28.10. sein. Während die Opposition sich früher auf Forderungen nach Einhaltung der Menschenrechte beschränkte, zeigt sich ihr gestiegenes Selbstbewußtsein heute darin, daß sie an Gespräche mit der Regierung über Reformen Bedingungen knüpft wie die Freilassung aller politischen Gefangenen, unter ihnen Frantisek Starek.
Johannes Afflerbach
Appelle an: Vaclav Jiricek, Innenminister der CSSR, Majakovskeho 21, 16000 Praha 6, CSSR.
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