: Camilo Jose Cela - ein erfolgreicher Opportunist
Der Literaturnobelpreisträger: ein Mann mit kritischem Ruf und franquistischer Vergangenheit / 1937 bot er sich der Geheimpolizei als Denunziant an: “...glaube ich, Angaben über Personen und ihre Verhaltensweisen machen zu können, die von Nutzen sein könnten“ ■ Von Stephan Wehr
Bremen (taz) - Mit dem Spanier Cela hat das Nobelpreiskomitee einen Verlegenheitskandidaten benannt, dessen Name schon seit einigen Jahren auf den dafür vorgesehenen Notizzetteln steht. Von seinen bislang zehn Romanen sind die beiden wohl besten auch ins Deutsche übersetzt: La familia de Pascual Duarte (Pascual Duartes Familie), 1942 erschienen, und La colmena (Der Bienenkorb), 1951. Beide Romane, die inzwischen auch erfolgreich verfilmt wurden, haben Cela den Ruf eines kritischen Schriftstellers eingebracht, was dem Autor am Ende der Franco-Ära und danach auch gelegen kam und seine trübe Vergangenheit überdeckt.
Pascual Duarte ist ein armer, einfältiger Bauer, der Mutter, Schwager, einen Grundbesitzer und auch noch zwei Tiere tötet, ohne zu wissen warum. Der Roman spielt während des Bürgerkriegs, doch ist es letztlich das Schicksal, welches für die Grausamkeiten verantwortlich ist, nicht die Menschen bzw. die Verhältnisse. Der Roman passierte die Zensur. Anders La colmena, in dem gezeigt wird, wie sich die Madrider, Sieger wie Besiegte, durch die Nachkriegszeit schlugen, notfalls mit Prostitution und Kupplerdiensten. Die dadurch provozierte öffentliche Moral reagierte prompt, der Roman konnte nur in Lateinamerika erscheinen, sein Autor wurde für kurze Zeit aus dem Journalistenverband ausgeschlossen, eine Maßnahme, die Cela dank seiner einflußreichen Freunde bald rückgängig machen lassen konnte.
Ein kritischer oder gar mutiger Mensch war der Autor jedoch nicht. Nach dem Krieg kehrte er nach Madrid zurück, von wo er sich 1937 abgesetzt hatte. Er arbeitete als Journalist bei verschiedenen Falange-Blättern mit, so bei 'Arriba‘, 'Legiones y Falanges‘, 'Fantasia‘. Außerdem war er Mitglied der falangistischen Gewerkschaft. In einem seiner Artikel aus den fünfziger Jahren über den Bürgerkrieg des 19.Jahrhunderts schreibt er: „Mit (dem gescheiterten Prinzen, die Redaktion) Don Carlos weinten Tausende Spanier, und unser armes, großes und zerstrittenes Spanien geriet derart an den Abgrund, daß es ein Jahrhundert brauchte, um sich wieder zu erheben, dann (...) segnete Gott Francisco Franco, unseren Caudillo und Vater.“ Solche Sätze weisen Cela als erfolgreiche literarische Instanz der Franco-Zeit aus. Er war eine Weile als Zensor tätig, gab wichtige Zeitschriften heraus und schrieb viel, neben bisher zehn veröffentlichten Romanen ungezählte journalistische Artikel. Zum Franquismus hielt er mit wachsender Berühmtheit eine gewisse Distanz und gab sich nach 1975 als Demokrat. Der König ernannte ihn 1976 zum Senator (der Senat ist eine Art spanisches Oberhaus).
In den seither verfaßten Artikeln stellt Cela die menschliche Verständnislosigkeit, Schlechtigkeit und den politischen Fanatismus als Quellen des Bürgerkriegs dar, ganz in der Tradition der Sprachrohre der Restaurationszeiten.
Außerordentlich ärgerlich war es da, als der Madrider Literaturwissenschaftler Julio Rodriguez Puertolas Anfang der achtziger Jahre ein bis dahin unbekanntes, höchst kompromittierendes Papier aus dem Jahr 1938 veröffentlichte: Cela, der sich Ende 1937 aus Madrid abgesetzt hatte, sich dann in der franquistischen Zone freiwillig zum Militär gemeldet hatte und für untauglich befunden wurde, bietet darin dem franquistischen Geheimdienst seine Dienste an. Zitat: “... Weil ich in den letzten 15 Jahren ununterbrochen in Madrid gelebt habe, glaube ich Angaben über Personen und ihre Verhaltensweisen machen zu können, die von Nutzen sein könnten. Da sich der ruhmreiche nationale Aufstand zu einem Zeitpunkt ereignete, an dem sich der Unterzeichner in Madrid befand, von wo aus er sich am 5.Oktober 1937 entfernte, glaube ich, die Aktivitäten bestimmter Personen zu kennen...“ (in: Julio Rodriguez Puertolas, Literatura Fascista Espanola, Madrid 1986, S. 584). Der junge Cela verkehrte in den Madrider Intellektuellenzirkeln, deren linke Mitglieder er den Franco-Schergen ans Messer zu liefern gedachte. Zwar kam es nicht zur beabsichtigten Aufnahme in die Geheimpolizei - man lehnte ihn ab, weil er zu jung war -, wen er allerdings denunziert hat, ist unbekannt.
Cela ist eines jener Chamäleons, die durch geschickte Anpassung unter allen Umständen erfolgreich sind. Dabei scheute er sich offenbar nicht, seiner Karriere Freunde und Bekannte zu opfern. Auch steht dazu nicht in Widerspruch, daß sich der später berühmte Autor auch für kritische Kollegen einsetzte. Siehe auch Kulturseiten
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