: Im Oberzentrum Bremen
■ Musikfest Bremen präsentierte: Thomas Zehetmair mit Lichtorgel und BSAG-Vibrato
Thomas Zehetmair ist an der Violine erste Garnitur, international renommiert. Daß er in dieser Zeit nach Bremen kam, um zwei Bachpartiten, Szymanowski und, begleitet von Tünde Kuruzc am Klavier, Brahms und Hartmann vorzuführen, ist außergewöhnlich, das war offenbar mit dem Geld des „Musikfestes Bremen“ zu bezahlen.
Der kleine Saal der Glocke blieb am vergangen Freitag halb leer, als Zehetmeir angekündigt war. Parallel war u.a. Bruno Ganz im Rathaus angekündigt. Und im Theater am Leibnizplatz Hölderlin. Zuviel für diese „Musikstadt Bremen“? Die Kartenabreißer in der Glocke waren dennoch peinlich darauf bedacht, daß niemand aus der dritten Klasse sich in vordere Reihen der knarrenden Klappstühle setzte. Kurz nach acht muß ihnen aufgegangen sein, daß es für einen Künstler kein Vergnügen ist, über einen Block leerer Stuhlreihen hinwegzuspielen - da durfte die dritte Klasse sich der zweiten vor die Nase setzen.
Thomas Zehetmair tritt auf die Bühne, schlängelt sich an den Scheinwerfer-Ständern vorbei. Artiger Applaus, er will ansetzen - da quietscht und rumpelt die Straßenbahn vorbei, der Holzboden vibriert im kleinen Glockensaal. Zehetmair beginnt sein Spiel, konzentrierte Stille, es ist ein wunderbares Stück und Zehetmair ein wunderbarer Künstler an seinem Instrument. Die nächste Bahn, Vibrato in den Klappstühlen. Da fängt einer der Scheinwerfer an zu flackern, geht aus, wieder an. Die Bahn ist weitergefahren.
Thomas Zehetmair macht die Augen zu, spielt weiter. Aber das Flackern geht durch die Lider. Plötzlich bricht er ab, läßt die Geige sinken. „Entschuldigung, so geht es nicht.“ Hilfesuchend blickt er hoch zu den beiden Scheinwerfern, dann in den Saal. Jemand aus dem Publikum zieht den Stecker des flackernden Scheinwerfers aus dem Verlängerungs-Kabel, das Licht links geht aus. Zehetmair spielt auswendig, er beginnt neu auf dem halb ausgeleuchteten Podium, das Vibrato alle Minuten bleibt.
Für die Brahms-Sonate kommt Tünde Kuruzc aufs Podium. Sie möchte ihre Noten lesen können. Licht? Zehetmair blickt in den Saal. Von der Organisation des Musikfestes - niemand. Der „Jemand“ aus dem Saal steckt das Kabel wieder zusammen, legt seinen Schal unter den Stecker - vielleicht hilft das gegen das Vibrato. Zehetmair blickt besorgt nach oben. Eine Straßenbahn rattert vorbei. Das Licht bleibt an. Das Konzert geht weiter.
Am Schluß gibt es zwei Herbststräuße in Cellophan. Das Publikum klatscht begeistert und der Beifall ist doppelt, auch eine Entschuldigung für diese Stadt. K.W
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen