: „Die haben immer schon gefoltert“
Vertreter von Menschenrechtsorganisationen beklagen Folterungen und Menschenrechtsverletzungen unter der rechten Arena-Regierung in El Salvador / Auf Antrag der Grünen findet im Deutschen Bundestag zu diesem Thema heute eine Anhörung statt ■ Aus San Salvador Ralf Leonhard
Im Bundestag findet heute auf Antrag der Grünen im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit eine Anhörung statt. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob das rechtsextreme Arena-Regime in El Salvador trotz fortgesetzter Menschenrechtsverletzungen durch Entwicklungshilfe unterstützt werden soll.
„Wir sind gegen jede Form von Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Mißachtung der Menschenrechte“, erklärte Alfredo Cristiani in seiner Antrittsrede am 1. Juni 1989. Systematische Übergriffe der Armee und Sicherheitskräfte gehören jedoch immer noch zur Aufstandsbekämpfung in El Salvador. Jose Pastor Ridruejo, Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen, wurden bei einem Besuch in El Salvador Mitte Oktober allein für 1989 mehr als 1.200 dokumentierte Fälle von schweren Menschenrechtsverletzungen unterbreitet.
Der 20jährige Lucio Parada Cea etwa wurde am 2. Juli von Soldaten der 1. Infanteriebrigade in der Nähe von San Salvador festgenommen. Die Uniformierten durchsuchten das Haus des Gefangenen nach Waffen. Schon dabei bemerkten Angehörige bei Lucio Parada Blessuren am Hals und in der Magengegend. Sechs Tage später identifizierten sie den Leichnam. Sie konnten den jungen Mann allerdings nur noch an der Kleidung erkennen. Ein gleichzeitig festgenommener Freund des Toten, Hector Joaquin Miranda, starb eine Woche später an den Folgen von Mißhandlungen. Den einzigen unbeteiligten Augenzeugen der Tat ließen die Soldaten nur frei, weil er die Morde aus Angst gestand.
Das Verteidigungsministerium erklärte, der Tod der beiden jungen Männer habe „unter noch nicht geklärten Umständen“ stattgefunden.
In der 1. Infanteriebrigade mit Sitz in San Salvador wird mit System gemordet. Sie habe eine Abteilung für Geheimdienstoperationen und außergerichtliche Exekutionen von Gefangenen, berichtete Cesar Joya Martinez. Joya, der vor der mexikanischen Menschenrechtsakademie zugab, selbst an mehreren Morden beteiligt gewesen zu sein, konnte sich seiner eigenen Exekution nur durch Flucht entziehen. Oberst Elena Fuentes, der Kommandant der Brigade, bestätigte, daß Joya Bluttaten begangen hätte, leugnete aber die Existenz der geheimen Exekutionskommandos.
In den ersten drei Monaten der Arena-Regierung dokumentierte die CDHES 317 Morde, die Sicherheitskräften oder den von diesen kontrollierten Todesschwadronen angelastet werden. Im selben Zeitraum sind 62 Personen verschwunden.
In den letzten Monaten ist außerdem zur Regel geworden, was früher nur in Einzelfällen vorgekommen ist: Personen, die mangels Beweisen auf freien Fuß gesetzt werden müssen, werden als Spitzel angeworben, die den Sicherheitsabteilungen der Streitkräfte regelmäßig Bericht erstatten. Diese Infiltrierung von Volksorganisationen ist ein wichtiges Element der psychologischen Kriegsführung in El Salvador. Eine ausländische Menschenrechtsexpertin: „Die Leute trauen bald ihren besten Freunden nicht mehr über den Weg.“
Armee und Sicherheitskräfte haben sich die Zerschlagung der Massenorganisationen zum Ziel gesetzt. Wenige Tage nach der Dialogrunde zwischen Regierung und FMLN in Mexiko wurden Hunderte Campesinos und Gewerkschaftsaktivisten in einer Serie von Massenverhaftungen festgenommen. Im Verhör werden die „interessanten“ Fälle herausgefiltert und gefoltert. Die „Geständnisse“ liefern in der Regel Namen und Verbindungen, die zu neuen, diesmal gezielten Verhaftungen führen. Hector Bernabe Recinos, von 1980 bis 1985 einer der prominentesten politischen Gefangenen, spricht von einem „Vernichtungsplan gegen die Volksbewegungen“, die für die Regierung nichts anderes als Frontorganisationen der FMLN seien. Recinos hat beobachtet, daß die Sicherheitskräfte unter der Arena -Regierung mit immer weniger Skrupeln agieren. Die Agenten der Nationalpolizei machten sich nach einer Verhaftungswelle im September nicht einmal mehr die Mühe, ihren Gefangenen die Augenbinden abzunehmen, als ein Fernsehteam filmte.
Die Massenorganisationen, die sich während der Duarte -Regierung politische Freiräume erkämpft haben, wollen sich nicht in die Illegalität zurückdrängen lassen. Unter der Führung von Bernabe Recinos haben sich die verschiedenen Dachverbände in einer „Demokratischen Volkskoordination“ zusammengeschlossen. Die „Nationale Bauern- und Arbeiterunion“ (UNOC), die einst von der christdemokratischen Regierung gegründet worden war, hat inzwischen mit der bisher rivalisierenden „Union der Salvadorianischen Arbeiter“ (UNTS) ein Bündnis geschlossen, denn von den Wirtschaftspaketen und der repressiven Politik unter Arena sind beide Organisationen gleichermaßen betroffen.
Eine Reform des Strafgesetzes, die die Regierung schon im ersten Amtsmonat durchboxen wollte, soll vor allem die Aktionen der Volksorganisationen kriminalisieren. Drei bis fünf Jahre Freiheitsstrafe droht nach dem Entwurf Leuten, „die den Verkehr von Personen oder Fahrzeugen in Ortschaften oder auf Straßen behindern, öffentliches oder privates Eigentum beschädigen oder bemalen, Waffen, Masken oder Hieb und Stichinstrumente verwenden“. Parteinahme für die FMLN wird als „Propaganda, die die öffentliche Ordnung unterminiert“ mit ein bis vier Jahren bestraft.
Und sogar die Arbeit der Menschenrechtskommission CDHES wäre größtenteils kriminell, denn „wer durch Auslandsreisen, Botschaften oder in anderer Form Taten, Erklärungen oder Programme fördert, die andere Staaten oder internationale Organisationen dazu veranlassen können, sich in die Angelegenheiten El Salvadors einzumischen“ kann fünf bis zehn Jahre hinter Gitter wandern. So sieht es der umstrittene Reformentwurf vor, der wegen heftiger Proteste im In- und Ausland bislang noch nicht im Parlament debattiert worden ist.
Während die Gewerkschafter für verhaftete Kollegen zumindest Protestdemonstrationen veranstalten können, haben die Campesinos häufig keine Möglichkeit, Krach zu schlagen.
Oft vergehen Wochen, bis das Verschwinden eines Familienangehörigen gemeldet wird. Besonders die wiederbesiedelten Dörfer in den Kriegszonen sind immer wieder Ziel von Vergeltungsaktionen der Armee. Bei einem Luftangriff auf die Ortschaft San Jose de las Flores in Chalatenango schlug eine Rakete kaum 20 Meter von einer mit 200 Kindern gefüllten Schule ein. Armeechef Ponce erklärte später dazu: „Die haben ja noch einmal Glück gehabt.“
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