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Schlechte Zeiten für's Sprachenlernen

■ Miserable Bedingungen bei der Fremdsprachenausbildung an der Technischen Universität / Die Lehrbeauftragten werden seit Jahren ausgebeutet und unterbezahlt / Unzumutbare Arbeitsbedingungen für die Studenten / Keine Verbesserung der Situation in Sicht

„Habla espanol? Parlez vouz francais? Do you speak english?...“ Die Studenten und Studentinnen der Technischen Universität dürften diese Frage mit Nein beantworten, soweit sie auf die inneruniversitäre Sprachausbildung angewiesen sind. Rund 20 Studenten und Lehrbeauftragte machten am gestrigen Mittwoch durch ein Go-in im Kuratorium der TU auf die miserable Situation an der „Zentraleinrichtung Moderne Sprachen“ (kurz ZEMS) der TU aufmerksam. Von über 2.500 Studenten, die sich dieses Semester für den Erwerb einer Fremdsprache interessieren, mußten mehr als die Hälfte abgelehnt werden. Diejenigen angenommenen Bewerber werden größtenteils von unterbezahlten freien Mitarbeitern, sogenannten Lehrbeauftragten, unterrichtet.

Die Studenten forderten die Sicherstellung eines quantitaiv und qualitativ ausreichenden Angebots an Sprachkursen, die dazu nötigen festen Angestellten und die Möglichkeit der Anerkennung von Studienleistungen in ihren Fächern. Zudem wiesen sie auf die untragbare Situation der Lehrbeauftragten hin. Dies wurde auch von den Lehrbeauftragten selbst unterstützt.

Wissenschaftssenatorin Riedmüller-Seel bekräftigte die Bedeutung des Fremdsprachenunterrichts an der TU, verwies aber ansonsten auf die anstehenden Haushaltsberatungen. Wie die Situation an der ZEMS und die Lehrbeauftragten verbessert werden sollte, wurde von ihr, aber auch dem ersten Vizepräsidenten, offengelassen.

Die ZEMS bietet Fremdsprachenunterricht für sämtliche TU -Studenten sowie Deutsch als Fremdsprache an. Das Angebot umfaßt rund 60 Kurse von Englisch, Spanisch über Russisch bis hin zu Chinesisch. Die meisten Sprachkurse werden in mehreren Stufen angeboten, die Teilnehmerzahlen bewegen sich in manchen Kursen um die siebzig. Während der Semesterferien gibt es zusätzlich zweiwöchige Intensivkurse.

Die schlechte Ausstattung der ZEMS ist wohl eine Folge der fehlenden philologischen Studiengänge an der TU. Dadurch fehlen Rechenfaktoren, und jede zusätzliche Stelle für die ZEMS ist ein Politikum. Dies hat zur Folge, daß die Zentraleinrichtung bei sämtlichen Ausstattungsplänen in den vergangenen Jahren übergangen wurde. Lediglich durch das Überlastprogramm des Senats sollen drei neue hauptamtliche Mitarbeiter eingestellt werden. Dadurch wird nach Ansicht der ZEMS jedoch nur die Hälfte der notwendigen Ausstattung erreicht. Und dies in einer Zeit, in der zusätzlicher Sprachunterricht von allen, auch den verantwortlichen Seiten, positiv gesehen wird.

Ein weiterer Skandal ist die Stellung der Lehrbeauftragten. Sie tragen den Sprachunterricht zu über 75 Prozent, 25 Lehrbeauftragten stehen drei hauptamtlichen Mitarbeitern gegenüber. Dies ist eine für universitäre Verhältnisse sicher einmalige Situation. Ein Großteil der Lehrbeauftragten erhält seit über zehn Jahren immer wieder für jedes Semester neu einen Lehrauftrag und erfüllt somit Daueraufgaben.

Für die Universität hat dies nur Vorteile, die freien Mitarbeiter sind flexibel einsetzbar, nur für Leistung zu bezahlen, ohne Sozialversicherung, Kranken- und Urlaubsgeld und somit sogar noch billiger als studentische Hilfskräfte. Eine kleine Episode am Rande: Die Obergrenze für Lehraufträge liegt bei sieben Semsterwochenstunden, denn ab acht Stunden könnten sich die Lehrbeauftragten in eine Dauerstelle einklagen, und ihr Gehalt würde sich - neben der Sicherheit einer Anstellung im öffentlichen Dienst ungefähr verfünffachen. Eine Lehrbeauftragte dürckte ihre Situation drastisch aus: „Seit zehn Jahren muß ich, falls ich schwanger bin, in der vorlesungsfreien Zeit entbinden!“

maer

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