Mit Steinkühler in die neunziger Jahre

■ Die Delegierten der IG Metall bestätigten ihren Vorsitzenden mit großer Mehrheit / Von Martin Kempe

Mit einem besseren Abstimmungsergebnis als bei seiner ersten Wahl vor drei Jahren wurde Franz Steinkühler (62) in seinem Amt bestätigt. Er bleibt damit die umstrittene Führungsfigur der IG Metall. Die Delegierten verpaßten ihrem alten und neuen Vorsitzenden aber einen Denkzettel mit der Wahl des Linken Horst Schmitthenners in den Vorstand. Bei den Diskussionen um mögliche Streiktaktiken für die Tarifrunde im nächsten Frühjahr zeigte sich, daß die IGM mit allem rechnet, seit die Arbeitgeber angekündigt haben, bei Streiks sofort bundesweit auszusperren.

Wahlergebnisse bei Gewerkschaftstagen enthalten, so hieß es gestern mittag an den Kaffeetischen des Berliner Internationalen Congress Centrums, oft „untergründige Botschaften“. Und nach der Wahl des geschäftsführenden Hauptvorstands auf dem Gewerkschaftstag der Industriegewerkschaft Metall gab es für Delegierte und Beobachter viel zu deuten.

Was hatte es zu bedeuten, daß Franz Steinkühler von den Delegierten mit einem überwältigenden Stimmenpolster ausgestattet wurde, obwohl er doch am Tage zuvor vielstimmig wegen seines rigiden Führungsstils kritisiert wurde.

Jedenfalls: Steinkühler wurde mit 87 Prozent aller Stimmen wiedergewählt. Mehr Stimmen hat vor ihm nur Loderer erhalten, und das auch nur einmal. Steinkühler ist nach wie vor die unumstrittene Führungsfigur der IG Metall. „Es gibt ja sowieso keine Alternative zu ihm“, erklärte ein Delegierter das Ergebnis.

Aber gezeigt haben sie es ihm doch. Denn die Delegierten haben ihm einen ins Nest gesetzt, den er nicht gewollt hat. Horst Schmitthenner, Bevollmächtigter aus Neuwied, schaffte den Sprung in den geschäftsführenden Hauptvorstand, obwohl Steinkühler unmittelbar vor dem Wahlgang noch einmal gegen den aufmüpfigen Newcomer in die Bütt gestiegen ist.

Es hat nichts genützt: Der vom Vorstand nominierte Wunschkandidat des ersten Vorsitzenden, der Osnabrücker Bevollmächtigte Rolf Bockelmann, landete bei der Listenwahl von neun Kandidaten für acht Sitze auf dem ehrenwerten letzten Platz und schied aus dem Rennen. Eine hintergründige Rache all jener, die zwar mit dem Vorsitzenden unzufrieden sind, aber sich nicht trauten, ihm bei der Wahl einen persönlichen Denkzettel zu verpassen?

Die meistgehörte Interpretation geht in diese Richtung: Im Vorfeld des Gewerkschaftstages hatte Steinkühler dafür gesorgt, daß der Hattinger Bevollmächtigte Otto König, der sich vor Jahren im Kampf um den Erhalt der Hattinger Stahlhütte zum regionalen Volkshelden entwickelt hatte, nicht auf den Posten des Bezirksleiters Wuppertal übernommen wurde.

König galt als Kandidat der traditionellen Linken innerhalb des Ruhrgebiets und darüber hinaus. Nach der Ablehnung Königs hielt sich für ein paar Wochen das Gerücht, er werde nun auf dem Gewerkschaftstag zum geschäftsführenden Vorstand kandidieren. Das hat er nicht getan, aber Horst Schmitthenner hat es getan, der innerhalb der IGM demselben politischen Milieu zugerechnet wird.

Franz Steinkühler hat nun einen, an dem er „sich reiben kann“, wie Schmitthenner selbstbewußt in seiner Vorstellungsrede vor dem Kongreß verkündete.

Die Delegierten honorierten dieses Vorhaben und drückten damit offensichtlich ein eigenes Bedürfnis aus. Der zweite Aufsteiger in den Führungszirkel der IG Metall, der Augsburger Bevollmächtigte Karlheinz Hiesinger, gilt dagegen als Mann Steinkühlers. Er wird ebenfalls der Linken, aber nicht der Traditionslinken zugerechnet und soll der IGM -Bildungsarbeit neue Impulse geben.