piwik no script img

Wasserstoff verpufft in Bremer Amtsstuben

■ Senat will Wasserstoff-Pilotprojekt sterben lassen / Grüne wollen privaten Träger

Der Bremer Senat will nicht mit Wasserstoff experimentieren. Das geht aus einem internen Papier hervor, das in den Ressorts für Wissenschaft, Umwelt und Wirtschaft geschrieben worden ist.

Zur Erinnerung: Vor gut einem Jahr gab die Bürgerschaft dem Senat den Auftrag, sich darüber Gedanken zu machen, wie Wasserstoff-Technologie in Bremen angewendet und weiterentwickelt werden kann. Der Senat reichte den Auftrag an die Bremer Universität weiter. Dort arbeiteten der Chemieprofessor Dieter Wöhrle und seine MitarbeiterInnen ein halbes Jahr lang an einer Studie, die sie im April vorlegten. Wöhrles Idee: Bremen sollte sich an dem „Hydrocan -Projekt“ beteiligen, das in Hamburg bereits vorbereitet wird.

Der Wasserstoff, den die Hamburger importieren wollen, stammt aus den Einöden des nördlichen Kanada. Dort haben inter

nationale Konzerne vor rund zehn Jahren riesige Staudämme gebaut, in deren Turbinen sie weit mehr Strom erzeugen, als sie verkaufen können. Mit dem überschüssigen Strom wollen sie nun Wasserstoff erzeugen und ihn in einem Tankschiff über den Atlantik nach Hamburg bringen, wo der saubere Energieträger verheizt werden soll, zum Beispiel in den Motoren von Stadtbussen, oder zur Stromerzeugung.

Genau das hatte Dieter Wöhrle sich auch für Bremerhaven ausgedacht. Dort sollte der Wasserstofftanker aus Kanada erstmal festmachen und einen Teil seiner Ladung an Land pumpen. Die Stadtwerke sollten in ihrem Kraftwerk eine Gasturbine betreiben, speziell eingerichtet für den Einsatz von Wasserstoff. Ein Haus sollte mit Wasserstoff beheizt werden, und einige Busse wollte Wöhrle mit einem Wasserstoff -Tank auf dem Dach verkehren lassen. Das alles sollte nicht

auf eine Vollversorgung der Stadt mit Wasserstoff hinauslaufen, sondern nur Erfahrungen und neue Erkenntnisse liefern, wie Wasserstoff als Energieträger eingesetzt werden kann. Immerhin sollten so schon mal drei Prozent des Bremer Energiebedarfs mit Wasserstoff gedeckt werden.

Wöhrle und seine MitarbeiterInnen hatten zwar im Auftrag des Senats gedacht, aber nicht in sei

nem Sinne. Nun mußten sich die senatorischen Behörden selbst Gedanken machen, wie sie Wöhrles Ideen madig machen konnten. Wie das ging, berichtet Walter Ruffler, ein grüner Lehrer, der sich in den letzten Jahren für Wasserstoff-Technologie in Bremen stark gemacht hat. Ruffler: „Ich habe Anrufe bekommen, da haben die Autoren des Senatspapiers gesagt: 'Wir sollen da was

über Wasserstoff schreiben, haben Sie nicht Literatur?'“ Ruffler half aus, und die Beamten bedankten sich brav. Obwohl der Senat die Wasserstoff-Technologie jetzt zunächst einmal abgeschmettert hat, sieht Ruffler einen Fortschritt: „In senatorischen Amtsstuben wurde Know-how angesammelt. Der Senat weiß jetzt, was Wasserstoff ist.“

In ihrem Papier haben die Beamten einen uralten Expertenstreit wiederbelebt: Strom aus Wind-und Sonnenenergie zu gewinnen, sei gut, argumentieren sie. Den Strom jedoch in Wasserstoff zu verwandeln, sei ein Umweg, auf dem Energie verlorengehe. Mit diesen Argumenten rennen sie bei den Befürwortern der Wasserstoff-Technologie offene Türen ein. Die wollen aber trotzdem die neue Technik entwicken, weil ihrer Meinung nach schon in den nächsten Jahren soviel Strom auf umweltfreundliche Art gewonnen wird, daß man um

Wasserstoff als Speicher nicht herumkommt. Denn der Wind dreht die Flügel mal schneller, mal langsamer, und die Sonne scheint auch nicht alle Tage gleich. Bis die regnerativ erzeugte Energie einen solchen Umfang erreicht hat, daß man dafür einen Wasserstoff-Speicher braucht, vergehen nach Ansicht des Senats noch 60 Jahre.

Mit diesem langen Beamten-Atmen wollen die Bremer Grünen sich nicht abfinden. „In Bremen gibt es wohl keine kreativen und kompetenten Träger für die Wasserstoff-Technologie“, meint der Bürgerschaftsabgeordnete Paul Tiefenbach, doch schlagen die Grünen vor, daß ein Privatunternehmen oder ein öffentliches Versorgungsunternehmen aus einem anderen Bundesland dafür gewonnen wird, in Bremen ein Wasserstoff -Pilotprojekt zu starten. In der Novembersitzung der Bürgerschaft steht das Thema auf der Tagesordnung.

mw

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen