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Herr und Hund

■ „Von Hunden und Menschen: Geschichte einer Lebensgemeinschaft“ von Helmut Brackert und Cora van Kleffens

In der BRD gibt es etwa drei Millionen Hunde, für Hundefutter gibt der Bundesbürger jährlich etwa zwei Milliarden Mark aus, und auch auf dem Buchmarkt sind Hunde führend. In der BRD werden rund 200 Hundetitel angeboten, in Frankreich etwa 120, in England gar mehr als 400. Hinzugekommen ist jetzt im Verlag C.H.Beck Von Hunden und Menschen - Geschichte einer Lebensgemeinschaft.

„Mensch und Tier wieder einzubinden in einen durch Gottes Schöpfungstat geschaffenen großen Sinnzusammenhang“, den Hund wieder als „gleichberechtigten Partner des Menschen“ zu etablieren bzw. ihn als „eigenständige Persönlichkeit“ zu rekonstruieren ist das im Versteck der Füllsel ausgesprochene Ziel der AutorInnen Cora van Kleffens und Helmut Brackert. Denn als Gattungswesen nahm das Herrchen dem Hund „sein ursprüngliches Urvertrauen“ und führte ihn auf den „Weg zum seelenlosen Nutzobjekt“. So wurde der Hund zur „Begriffsschablone“, zum „Partnerersatz“, zum „Ersatzobjekt“, das sich „nicht mehr durch sich selbst“ definierte, „sondern als Staffage menschlicher Selbstdarstellung“ diente. Heutzutage wird jedoch im Tier „in immer größerem Maße das ansprechende Du, das Lebendige und Spontane gesehen in bewußter Absetzung vom Anonymen“. Die Absicht der AutorInnen ist es, „nicht ein Objektverhältnis, sondern eine Wechselbeziehung historisch zu ergründen“. Das erschöpft sich mehr oder minder in chronologischen Aneinanderreihungen; wie der Hund zum Menschen kam, ans Lagerfeuer frühzeitlicher Hirten, so begann die Gemeinschaft; es wird berichtet vom Hund auf der Jagd, vom Hund im Krieg, vom mythologischen, vom Wach- und Schoßhund, und all das wird illustriert durch Literatur, schöne Bilder, ein paar Kunsthistorikerbemerkungen und partnerschaftliches Geschwätz, das in seiner Austauschbarkeit - die Frau wird zum Hund - auch noch bewußtlos jede ernstzunehmende emanzipatorische Rede diskreditiert.

Dennoch ist vieles am Rande interessant. In ihrer Zentralthese bestimmen die AutorInnen den Hund als Zwischenwesen beziehungsweise als Vermittler zwischen Leben und Tod, Kultur und Natur, gut und böse, man könnte fortfahren - denn das erwähnen die beiden nicht: Mensch und Teufel. Stammessagen sehen den Hund als Ursprungsvater des Menschen, einige Naturvölker glauben, er habe erst den Tod in die Welt gebracht. Der Hund ist Höllenwächter, Totengräber und Seelenbegleiter. Diese Bestimmungen werden nicht nur mythologisch, sondern auch anhand bestimmter Begräbnisrituale belegt. So berichtet Herodot, daß die Perser einen Leichnam nicht eher begruben, „als bis ein Hund oder Vogel daran gezerrt hatte“, und in der persischen „dag -di“ (Hundeblick)-Zeremonie wurde ein Hund an die Leiche geführt, „denn durch seinen Blick erst wurden die bösen Geister vernichtet“. Friedlose Seelen, „die von Verbrechern, Selbstmördern und mancherorts auch Unverheirateten irrten ruhelos in Hundegestalt umher und mußten im Zwischenreich bleiben“. Nach jüdischer Vorstellung galt das von Hunden gefressen zu werden, als „tiefste Entehrung“ und „Verlust des Jenseits“. Solche Berichte am Rande machen das Buch lesenswert: daß sich bis ins Mittelalter die Vorstellung der Existenz von Hundekönigreichen hielt, und daß „noch in der Schedelschen Weltchronik von 1493 die Hundsköpfigen für Indien aufgeführt“ werden: Es „sind menschen mit hundsköpfen und reden bellend, nähren sich mit vogelgefäng und kleiden sich mit thierheuten“. Andere, so Plinius oder Marco Polo, verorten diese Reiche in Afrika, auf den Adamanen-Inseln oder im „ewigen Eis des Nordens“. (E.A.Poe (Arthur Gordon Pym) vermutet sie ebenfalls dort). Oder: daß es eine theologische Diskussion darüber gab, ob Hunde denn nun eine Seele hätten, ob es einen Hundehimmel gäbe - Thomas von Aquin verneint das, der Volksglaube stimmt dem zu „und hat die Vorstellung vom eigenen Hundehimmel entwickelt, der anscheinend als vor dem eigentlichen Himmel liegend gedacht wird und dem treuen Hund als Lohn winkt“. Luther pflichtet dem bei: „Ja freilich, denn Gott wird einen neuen Himmel und ein neues Erdreich schaffen, auch neue Pelverlein (Belferlein) und Hündlein mit goldener Haut.“

Die AutorInnen haben die sicher schönsten Hundebilder zusammengesammelt: Fragonard zum Beispiel, La Gimblette (Das Hündchen), so verdorben rührend naiv sodo-mitisch schön..., doch damit wissen sie wenig anzufangen und bemängeln statt dessen, daß der Hund mal wieder nur zum Ersatz diene und man seine Individualität nicht so recht erkenne.

Ein Mitarbeiter Basedows hat erkannt, daß der Hund dazu nütze, „den alten, kränklichen Leuten die Füße zu wärmen“. Das wird zitiert. Also ist das Buch nützlich, auch wenn sich seine AutorInnen aufs Naheliegende - nur wo Hund drauf steht, ist auch Hund drin - beschränken, den Schmutz meiden, keine Ahnung haben von moderner Hundekunst und nichts Rechtes zur Hunde- oder Haustiertheorie beitragen können und dies Nichts durch Geschwätz nur notdürftig verkleiden: „Beide, Herr wie Hund, haben das natürliche Maß verloren...“

Detlef Kuhlbrodt

Helmut Brackert/Cora van Kleffens: Von Hunden und Menschen: Geschichte einer Lebensgemeinschaft, C. H. Beck-Verlag, 300 Seiten, 76 Abbildungen, 39,80 DM

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