: Kieler CDU will Verfassungsreform kippen
Die nach der Barschel-Affäre gefaßten guten Vorsätze der schleswig-holsteinischen Christdemokraten geraten langsam, aber sicher in Vergessenheit / Opfer wird voraussichtlich die geplante Reform der Landessatzung sein / CDU-Fraktionsvorsitzender Heiko Hoffmann gilt in den eigenen Reihen mittlerweile als zu weich ■ Aus Kiel Jürgen Oetting
Vor ziemlich genau zwei Jahren saß Barschel-Intimus Reiner Pfeiffer vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß, der den größten politischen Skandal aufklären sollte, den Schleswig-Holstein erlebt hat. Pfeiffer hüllte sich in Schweigen. Die Landespolitiker aller Couleur dagegen waren redselig und voller guter Vorsätze. Nach Aufarbeitung der Affäre sollte zwischen den Deichen eine neue politische Kultur ausbrechen. Das ist inzwischen zumindest in der CDU vergessen, das Rollback der Union scheint unaufhaltsam.
Bald nach den Landtagswahlen des vorigen Jahres herrschte weitgehende Einigkeit darüber, daß eine Verfassungsreform die schleswig-holsteinische Verfassung heißt bescheiden „Landessatzung“ - vorbereitet werden müsse. Die CDU-Fraktion war durchaus zu konstruktiver Mitarbeit im Sonderausschuß des Landtags bereit, der einen Entwurf erarbeiten soll. Die Christdemokraten entsandten aus ihren lichter gewordenen Reihen alles, was liberalen Rang und Namen hatte: die im Barschel-Untersuchungsausschuß positiv aufgefallenen Irmlind Heisler und Peter Aniol, den Landesvorsitzenden der Sozialausschüsse der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Eberhard D'All Asta, und den Fraktionsvorsitzenden Heiko Hoffmann.
Zum Schluß höchstens noch ein Reförmchen
Doch die gedeihliche interfraktionelle Zusammenarbeit endete Mitte des Monats abrupt, die CDU-Ausschußmitglieder hatten vom Landesausschuß ihrer Partei eherne Eckwerte vor die Nase gesetzt bekommen. Da ohne CDU in punkto Verfassungsreform nichts geht (für Verfassungsänderungen ist im Kieler Parlament eine Zweidrittelmehrheit erforderlich), wird zum Schluß höchstens noch ein Reförmchen herauskommen. Zur Zeit gelten zwischen SPD und CDU im wesentlichen vier Punkte als nicht konsensfähig.
Die Union ist nicht mehr bereit, plebiszitäre Elemente wie von den Sozialdemokraten gefordert - in der Landessatzung zu verankern. Wenn sich die Fraktionsmitglieder an die Vorgaben des „kleinen CDU -Landesparteitages“ halten, wird es weder Volksbegehren, Volksentscheid noch Volksinitiative geben. Der CDU -Landesvorsitzende Ottfried Hennig begründete die Ablehnung damit, daß es fatal sei, „die Sicherungen gegen politischen Radikalismus, die von den Verfassungsvätern eingebaut wurden, ausgerechnet dann abzubauen, wenn sich an den politischen Rändern radikale Gruppierungen mit populistischen Forderungen zu profilieren suchten“.
Wahl der Richter
durch die Richter...
An den nächsten beiden Eckpunkten kämpft die CDU darum, daß die schleswig-holsteinische Richterschaft und Rechtsprechung so bleibt, wie sie ist - nämlich düster konservativ. Das bisherige Einzelgesetz zur Richterwahl soll in seiner Altfassung in die Landessatzung aufgenommen werden. Im Augenblick sind die Richterwahlgremien noch so strukturiert, daß die konservative Richterschaft sich ihre künftigen Kollegen selbst aussuchen kann. Die SPD will mehr Einfluß von Parlamentariern, was bei den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen im Landtag mehr Einfluß der SPD bedeuten würde.
Aus diesem Grunde ist die CDU auch gegen die Etablierung eines schleswig-holsteinischen Verfassungsgerichts. Zu Zeiten anderer Parlamentsmehrheiten bestand in Unionskreisen durchaus Aufgeschlossenheit gegenüber der Anpassung der juristischen Grundausstattung Schleswig-Holsteins an die Norm der übrigen Bundesländer.
CDU würde auch gerne Landtag vergrößern
An der vierten Ecke wollen die Christdemokraten über eine Änderung des Landtagswahlrechts ihre künftigen Fraktionen vergrößern. Sie möchten den Kieler Landtag um etliche Sitze erweitern, ohne die Anzahl der Wahlkreise zu erhöhen. Beim vorigen Wahlergebnis - die SPD gewann alle Direktmandate hätte unter diesen Umständen allein die CDU davon profitiert, sie hätte nämlich mehr Sitze über die Kandidaten der Landesliste ins Hohe Haus an der Förde bekommen. Die SPD mag dabei schon aus finanziellen Gründen nicht mitmachen.
Die aktuellen Reform-Verhinderungsvorschläge der CDU tragen die deutliche Handschrift des Parteivorsitzenden Hennig und werden von denen, die zu Barschel-Zeiten im Kabinett oder in der Fraktion ganz vorne saßen, unterstützt: so vom ehemaligen Kultusminister Peter Bendixen, dem früheren Innenminister Karl-Eduard Clausen und dem damaligen Fraktionsvorsitzenden Klaus Kribben. Diese alte Garde macht ihrem moderaten Fraktionschef Hoffmann seit Monaten die Hölle heiß. Er sei zu weich und kompromißbereit.
Berthold Sprenger, ein CDU-Hinterbänkler, spielt den Minenhund für die Hardliner. In kleinen Anfragen äußerte er Neugier der „republikanischen“ Art. Wie hoch die Kriminalitätsrate unter „Asylanten“ sei und wie verbreitet die Rauschgiftsucht, wollte er wissen. Das ist Landespolitik nach dem Geschmack der Herren Hennig und Co. Der Landesvorsitzende geht zudem immer häufiger in der Öffentlichkeit auf Distanz zu Hoffmann.
Doch nicht nur inhaltliche Kontroversen werden von den CDU -Oberen präsentiert, auch fiese Gerüchte kursieren wieder als seien Barschel und Pfeiffer noch da. Dem Fraktionsvorsitzenden Hoffmann wurde eine Tablettenabhängigkeit angedichtet und eine Liebesaffäre mit einer ebenfalls verwitweten Landtagskollegin.
Politische Beobachter in Kiel gehen davon aus, daß Hoffmann die längste Zeit Fraktionsvorsitzender gewesen ist, wenn die „Republikaner“ bei den Kommunalwahlen des nächsten März‘ auch nur vergleichsweise Erfolge erzielen wie in Baden -Württemberg. Dann hätte der Import-Schleswig-Holsteiner Ottfried Hennig einen unangenehmen Nebenbuhler für die nächste Spitzenkandidatur weniger.
Doch im kommenden Jahr wird es mit hoher Sicherheit auch eine bittere Niederlage für Hennig geben. Er will im Wahlkreis Kiel für den Bundestag kandidieren - gegen den dort unschlagbaren Sozialdemokraten Norbert Gansel.
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