: „Seien sie froh, überhaupt Geld zu kriegen“
■ Rechtsanwalt wegen Veruntreuung von Mandantengeldern vor Gericht / Eineinhalb Jahre auf Bewährung
„Meine Frau und ich wollten mit dem Geld der Erbschaft nach Süddeutschland gehen und uns dort niederlassen“, erzählt Zeuge K. in der Verhandlungspause, „sie kommt aus der Gegend und leidet unter Heimweh.“ Der alte Mann wurde in dieser Erbschaftssache Anfang der 80er Jahre durch einen befreundeten Rechtsanwalt vertreten. Seinen Verrechnungscheck über 30.000 Mark bekam K. jedoch nie zu Gesicht: Sein Rechtsanwalt hatte das Geld stillschweigend benutzt, um seine Spielschulden in Höhe von 200.000 Mark abzuzahlen. Zwar hat der alte Mann eine einmalige Rückzahlung von 15.000 Mark erhalten, doch mußte er davon allein 3.000 Mark Anwaltskosten bezahlen. „Die wissen schon, wie sie zu ihrem Geld kommen“, sagt K. verbittert, „und meine Frau ist inzwischen auch am Ende.“ Zusätzlich zu den veruntreuten 30.000 Mark kommt noch ein Privatdarlehen, daß der ahnungslose Mann seinem ehemaligen Rechtsanwalt und Freund Z. zukommen ließ.
Unbekannt ist dieser Anwalt dem Gericht nicht. Vor vier Jahren lief schon einmal ein Verfahren wegen Veruntreuung von Mandantengeldern gegen ihn. Mit einer Bewährungsstrafe von einem Jahr wurde dieser Fall abgeschlossen. Jetzt stand Z. wegen „fortgesetzter Untreue und Untreue“ erneut vor Gericht, weil er in seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt auch andere Mandanten geschröpft hatte. 45.900 Mark hat er von Schuldnern eines Autohauses einbehalten, „um mit seinen Gläubigern zurechtzukommen.“
Seine „hoffnungslose finanzielle Situation und das Handeln aus einer Notlagensituation heraus“ wurde zugunsten des Angeklagten ausgelegt. Auch seine „vorbehaltlose Reue“ und seine Bemühungen, zumindest teilweise die veruntreuten Gelder zurückzuzahlen, wurden ihm zugute gehalten. Z.s Mutter hat ihr ganzes Vermögen aufgebracht und ihre zwei Häuser verkauft, um ihrem Sohn zu helfen. Nachdem er seiner Anwaltstätigkeit nicht mehr nachgehen kann, lebt Z. jetzt in bescheidenen Verhältnissen, alles was gepfändet werden konnte wurde gepfändet. Der Angeklagte: „Mit allen physischen Kräften versuche ich wieder gutzumachen, und ich bin sehr beeindruckt von der Objektivität und Fairness dieses Verfahrens.“
Das sieht der um sein Erbe gebrachte K. jedoch anders: „Wäre er ein kleiner Mann, würden sie ihn verknacken.“ 150 Mark monatlich soll Z. dem alten Mann nach Anweisung des Gerichts bezahlen (Z.: „Mehr kann ich beim besten Willen nicht aufbringen“). Auch an die anderen Schuldner muß Z. Schadenswiedergutmachung zahlen. Unter Berücksichtigung des vorherigen Urteils von 1985 wurde eine mittlere Gesamtfreiheitsstrafe von eineinhalb Jahren mit einer Bewährungszeit von drei Jahren festgelegt. Unter den wütenden Gebärden des alten Mannes sagte der Staatsanwalt im Flur: „Einen nackten Mann kann man nicht in die Tasche greifen. Seien sie froh, daß sie überhaupt etwas kriegen.“
Renate Pinzke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen