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Gelbe Karten und falsche Elfmeter

■ „Fußball in der Kunst“ - eine Ausstellung der Pfalzgalerie Kaiserslautern

Kaiserslautern (taz) - Es ist nicht mehr anrüchig hierzulande, als halbwegs intelligenter Kopf zum Fußball zu gehen, denselben zu treten, darüber zu schreiben oder ihn zum Objekt künstlerischer Tätigkeit zu machen. In der Pfalzgalerie in Kaiserslautern, in den fünfziger Jahren Ausgangspunkt des „deutschen Fußballwunders“, wurde dieser Tage die Ausstellung Fußball in der Kunst eröffnet unter den Gästen natürlich Fritz Walter, wie vier andere Lauterer aus den besseren Zeiten des 1. FC Kaiserslautern 1954 Mitglied derer von Bern.

Eigentlich gehörte er, von den ausstellenden Künstlern unberücksichtigt geblieben, selbst lebendig ausgestellt, was sich ja rein geographisch machen ließe. Kein Zufall, daß die Ausstellung gerade hier stattfindet, und im Katalog wird der lokale Bezug kräftig strapaziert. Doch der Wunsch der Galeriedirektorin, daß „möglichst viele Fußballfreunde erkennen mögen, daß bildende Kunst auch spannend sein kann“, blieb zunächst unerhört. Die „local heroes“ vom Betzenberg haben mit der Kunst (des Fußballs) derzeit nichts am Hut sie blieben fern. Das muß mitten im kranken Pfälzer Wald einmal anders gewesen sein, als Fußball „Ersatz war für Kino, Konzertsaal und Kaffeehaus“ und der „Ablenkung von Not und Trauer“ (Rudi Michel) in der tristen Nachkriegszeit diente.

Von Kriegen ist in der Pfalzgalerie einiges zu sehen. Auf den Werken A.Paul Webers etwa, der den Falschen Elfmeter und seine Folgen skizziert hat, eine Darstellung des Massenfußballs, wie er im 18. Jahrhundert ohne Begrenzung der Spielerzahl und ohne Schiedsrichter zelebriert wurde. Seine aquarellierte Lithographie Die gelbe Karte zeigt die diabolisch verzerrten Fratzen eines Pfeifenmannes und eines Fußballers, die einen anderen Ballspieler an Armen und Beinen zu Boden drücken und mit äußerster Brutalität versuchen, ihm einen gelbe Karte ins Maul zu stopfen. Auch in Hans-Peter Zimmers Unfaires Spiel fliegen Torsi über das Spielfeld - jenseits einer Chance, den Ball zu erreichen.

Ausgespart bleiben in solchen Darstellungen die Torhüter als spinnerte Individualisten abseits vom samstäglichen Grätschen, Rempeln und Halten. Der beste Torhüter der Welt von Wolfgang Petrick ist denn auch ein omnipotenter Kraftprotz mit Kaktusbeinen und Dornenfingern - an ihm kommt wirklich kein Ball vorbei. Geradezu friedlich dagegen der Mann, der 1982 in Spanien dem Franzosen Battiston die Zähne extrahierte - Toni Schumacher, porträtiert von Andy Warhol, der auch den Teamchef auf gleiche Weise verewigte.

Dem kam zu Ohren, daß Schumacher zu sehen ist - prompt fehlt Beckenbauer in Kaiserslautern. Tragisch ist das nicht, nur Stefan Demarys Fußballer auf dem Sockel (ohne Titel) sieht dies anders: Mit Wucht tritt er nicht den Ball, sondern die Museumswand, so daß sein Fuß darin steckenbleibt. Das schmerzt beim Hinschauen, ebenso wie die Erinnerung an die Pokerrunden des Alt-Internationalen Horst Szymaniak, der einst statt des gebotenen Drittels ein Viertel mehr Gehalt einforderte. Anton Kokl stellt ihn denn auch kopflos dar. Ohne Kopf wäre eine andere Arbeit nicht entstanden - Susken Rosenthals Aufzeichnung der EM-Begegnung Dänemark-Spanien von 1984. Mit dem Bleistift zeichnete sie, inklusive Verlängerung und Elfmeterschießen, den Lauf des Balles nach.

Bei allen Bemühungen um die Kunst - den meisten Zuspruch findet der überdimensionale „Fußball-Flipper“ in der Eingangshalle. Fußball - auch in der Kunst - ist denn doch live am schönsten, wenn es im hölzernen Tor kracht und die Erfolgreichen eine Zahl nach vorn rücken. Vielleicht lockt das Flipper-Monstrum Wuttke und seine Statisten doch noch in die Pfalzgalerie - die Ausstellung läuft bis zum 26. November.

Günter Rohrbacher-List

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