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Den Österreichern stinkt's

Das Fingerhakeln zwischen Bayern und Österreich geht weiter / Verkehrsminister Zimmermann droht vollmundig mit „Vergeltungsmaßnahmen“ /  ■  Von Beatrix Borsig

Das Nachtfahrverbot für LKW über 7,5 Tonnen auf den österreichischen Transitstraßen tritt am 1. Dezember in Kraft. Aber eine Einigung in dem schon lange schwelenden Konflikt zwischen Österreich und den Nachbarstaaten Bundesrepublik und Italien um das Nachtfahrverbot ist nicht in Sicht.

Die Alpen, einst eine natürliche Barriere zwischen dem Mittelmeerraum und dem Norden des europäischen Kontinents, sind heute ein Nadelöhr, durch das sich eine ständig anwachsende Blechlawine zwängt. Täglich fahren etwa 3.800 LKW über die Straßen Österreichs. Etwa 80 Prozent der Trucks durchqueren Österreich nur auf dem Weg von einem EG-Staat in einen anderen. Die Österreicherr haben gar nichts von der Transitkolonne, die da täglich ihr Land durchzieht. Aber der Lärm und die Autoabgase belasten Mensch und Umwelt in der Region und sorgen schon lange für dicke Luft an den Alpenstraßen. Seit Jahren schon fordern Umweltverbände und die österreichischen Grünen Maßnahmen, um die Umweltbelastung für den Alpenraum durch den Transitverkehr zu verringern.

Im Juli dieses Jahres hat die österreichische Bundesregierung nun ein Nachtfahrverbot für Brummis über 7,5 Tonnen von 10 Uhr abends bis 5 Uhr morgens auf den Transitrouten Österreichs beschlossen. Die Bewohner vor allem in Kärnten und im Inntal können zum ersten Mal seit Jahren wieder aufatmen. Von jenseits der Grenzen jedoch melden sich empört vor allem italienische und bundesdeutsche Politiker zu Wort. Bundesverkehrsminister Friedrich Zimmermann etwa, ohnehin für markige Worte bekannt, fordert öffentlich „Vergeltungsmaßnahmen“ für die einseitig von Österreich eingeführten Maßnahmen. Das Nachtfahrverbot sei ein „unfreundlicher Akt“, der die gutnachbarlichen Beziehungen beeinträchtige. Im übrigen, wütet Zimmermann, werde Österreich durch derartige Alleingänge seine Chancen, als neues Mitglied in die Europäische Gemeinschaft aufgenommen zu werden, nicht gerade verbessern.

Es gibt wenige Argumente, die Zimmermanns Drohung stützen. Bereits heute ist Österreich in vielen Bereichen mehr in die EG integriert als die vor ein paar Jahren beigetretenen Mittelmeerländer. Mit Österreich würde ein Land mit einem vergleichsweise hohen Pro-Kopf-Einkommen der Gemeinschaft beitreten - ein weiterer Nettozahler in der EG, der helfen würde, den teuren Integrationsprozeß in der EG mitzufinanzieren. Der österreichische Schilling ist bereits heute währungspolitisch so eng an die D Mark gebunden, daß er ohne allzu große Schwierigkeiten in das Europäische Währungssystem eingebunden werden könnte. Und schließlich hat Österreich eine große Bedeutung als Transitbrückenkopf zwischen dem Süden und dem Norden des Gemeinschaftsraumes.

Die EG-Kommission zeigt Verständnis für den Unmut Österreichs über die Belastungen durch den Alpentransit. Schon seit Jahren weisen die Österreicher immer wieder auf die fatalen Folgen des Transitverkehrs für Mensch und Umwelt hin und fordern Unterstützung aus Brüssel. „Zwölf Jahre lang ist da nicht viel geschehen“, sagt ein Fachmann bei der Brüsseler Behörde. Verärgert waren die Brüsseler Beamten allerdings über den Alleingang, in dem die Österreicher das Nachtfahrverbot beschlossen hatten, ohne sich mit den Nachbarn abzustimmen. Verärgert sind die Brüsseler jetzt aber auch über Verkehrsminister Zimmermann und seinen jüngsten Vorstoß, für schwere Laster aus dem Ausland auf bundesdeutschen Straßen eine Verkehrsabgabe zu erheben. Nach Ansicht der Brüsseler Behörde verstieße die Gebühr gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. Die von Zimmermann mit Brüssel nicht abgestimmte Initiative nimmt der Kommission aber auch bei der Aushandlung von Übergangsfristen in den Verhandlungen mit Österreich den Wind aus den Segeln.

Auch bei Treffen der Verkehrsminister der Alpenländer mit EG-Verkehrskommissar Karel van Miert, zuletzt Mitte Oktober in Luxemburg, war bislang kein Kompromiß zu erzielen. Die Österreicher halten am Termin 1. Dezember fest, haben jedoch eine Reihe von Zugeständnissen gemacht. Die Anforderungen an sogenannte „Flüster-LKW“, die die Transitrouten auch künftig nachts befahren dürfen, wurden zunächst herabgesetzt und werden erst allmählich gesteigert. Ein Kontingent von 40 bis 50 nächtlichen LKW-Fuhren mit leichtverderblichen Gütern wird im nächsten halben Jahr vom Nachtfahrverbot ausgenommen.

Das reicht dem Bonner Minister aus Bayern jedoch noh nicht. Zimmermann fürchtet, daß die Milch, die täglich von Süddeutschland nach Italien gekarrt wird, sauer werden könnte. Bislang rollen Nacht für Nacht mehrere hundert Milchwagen im Transit durch Österreich nach Italien und zurück. Für Sanktionen gegenüber Österreich fand sich jedoch keine Mehrheit. Zimmermann stand mit seinem italienischen Amtskollegen mehr oder weniger alleine da.

Also soll jetzt EG-Kommissionspräsident Jacques Delors vermitteln. Kanzler Kohl hat ihm einen Brief geschrieben mit der Bitte, sich doch um die Sache zu kümmern. Eine Antwort hat die Bundesregierung bislang nicht erhalten. Es ist jedoch kaum zu erwarten, daß Delors die bayerisch -österreichischen Transitprobleme zu seiner persönlichen Sache machen wird und das Problem auf allerhöchster politischer Ebene regeln will. Und der in der EG-Kommission für Verkehrsfragen zuständige Karel van Miert hat ja bereits mit den Konfliktparteien gesprochen. Die Kommission hat Hilfen bei der Verlagerung des Transitverkehrs von der Straße auf die Schiene vorgeschlagen und eine engere Zusammenarbeit bei der Entwicklung lärmarmer LKW.

Aber was wird, wenn das Fingerhakeln zwischen Zimmermann und dem österreichischen Verkehrsminister Rudolf Streicher kein Ende findet? Dann ist mit dem massiven Protest der Brummi-Fahrer zu rechnen. Bilder von LKW-Schlangen, die den Brenner blockieren, sind ja bereits allzu gut bekannt.

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