: Westreisen für DDRler - Wer zahlt das?
■ In Bonn und Berlin wird derzeit laut über das Devisenproblem für westreisende DDR-Bürger nachgedacht
Bonn/Berlin (dpa/taz) - Wenn es ums Geld geht, hört die Freundschaft auf. Diese Binsenwahrheit aus dem kapitalistischen Geschäftsleben werden die DDR-Bürger, die für ihre erste Westreise in den Startlöchern stehen, nun am eigenen Leib erfahren. Da die DDR-Mark bislang nicht konvertibel ist, der SED-Staat aber unter chronischem Devisenmangel leidet, stellt sich die Frage, woher sie eigentlich die „Valuta“ für ihre Westreisen nehmen sollen.
Daß Bonn DDR-Mark einfach im Verhältnis 1:1 umtauscht, kommt nach Ansicht des CDU-Generalsekretärs Volker Rühe nicht in Frage. Es sei Aufgabe der DDR und nicht der Bundesregierung, die in Aussicht gestellte Reisefreiheit, wenn sie denn kommt, auch zu finanzieren. Rühe hat auch gleich einen Vorschlag für Ost-Berlin parat: Man könne doch die durch den Zwangsumtausch erwirtschafteten Devisen für die Westreisen zur Verfügung stellen. Auf dieselbe Idee verfiel auch SPD-Chef Vogel. Mit diesem D-Mark Aufkommen (aus dem Zwangsumtausch) könne die DDR ihren Bürgern die Westreisen ermöglichen.
Andere Deutschlandpolitiker aus Berlin und der BRD wissen allerdings, daß hinter diesen wohlfeilen Ratschlägen entweder Naivität oder eine gezielte Zersetzungsstrategie gegenüber Ost-Berlin steht. Wenn die DDR, unter welcher Führung auch immer, ihre Wirtschaft umbauen und modernisieren will, wird jede Devisenmark dringend gebraucht. Deshalb schlägt zum Beispiel CDU-Vordenker Kurt Biedenkopf vor, die Bundesregierung solle in Anlehnung an den existierenden Überziehungskredit für Importe einen sogennanten „Reise-Swing“ einrichten, um der DDR eine größere Elastizität zu verschaffen. Reisefreiheit bleibe sonst „blanke Ironie“.
Besondere Ängste vor der Reisefreiheit ohne die nötigen Devisen treiben Berlins Regierenden Bürgermeister Walter Momper um. Er hat deshalb die Gründung eines DDR-Reisewerks in der BRD gefordert, „das vielen Menschen von drüben einen preiswerten Besuch ermöglicht“. Momper erklärte: „Das Problem ist wohl nur zu bewältigen, wenn Gruppenreisen organisiert werden. Für Übernachtungen kommen Jugendherbergen und Jugendwerke in Frage.“ Er verwies darauf, daß die Bundesrepublik stets Reisefreiheit für die Bürger der DDR eingefordert habe. „Nun müssen wir sie auch einlösen“, betonte Momper.
Momper sprach sich zugleich dafür aus, den Zahlungsverkehr zwischen beiden deutschen Staaten neu zu regeln. „Das Ziel ist die volle Konvertibilität der Währung“, sagte der SPD -Politiker. Der richtige Wechselkurs für die DDR werde dabei „irgendwo in der Mitte“ zwischen dem amtlichen DDR-Kurs (1:1) und dem in West-Berlin mittlerweile üblichen Kurs von 1:11 liegen.
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