Fünf Jahre Haft für Türkenmord

■ Ein 29jähriger Gelegenheitsarbeiter hatte im Berliner Märkischen Viertel einen jungen Türken niedergestochen, um seiner Verlobten seine Männlichkeit zu beweisen

Berlin (dpa) - Im Prozeß um den gewaltsamen Tod des 24jährigen Türken Ufuk Sahin verhängte die 29. Große Strafkammer des Berliner Landgerichts am Montag abend fünf Jahre Haft wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Der Angeklagte, ein 29jähriger Gelegenheitsarbeiter, hatte Sahin in den späten Abendstunden des 12. Mai nach einer Auseinandersetzung mit einem scharf geschliffenen Messer in die Leistengegend gestochen. Sahin, dem eine Vene durchtrennt worden war, verblutete.

Die Tat hatte wegen des vermuteten Motiv der Ausländerfeindlichkeit in der Öffentlichkeit bis hin zum Berliner Abgeordnetenhaus für großes Aufsehen gesorgt. Sie passierte im Märkischen Viertel, einer Hochburg der rechtsgerichteten Republikaner. Nach zweitägiger Hauptverhandlung vermochten allerdings weder Gericht, Staatsanwaltschaft noch Verteidigung Ausländerhaß des Angeklagten als Grund für den Tod des türkischen Familienvaters zu erkennen.

Allein der Rechtsbeistand von der Familie des Opfers betonte, der 24jährige Türke wäre noch am Leben, gebe es nicht „massive ausländerfeindliche Tendenzen“ in unserer Gesellschaft. Der Angeklagte, eher ein Einzelgänger, sei zwar nicht der Neonazityp, viel schlimmer sei, so der Anwalt der Nebenkläger, „daß ein Würstchen, wenn es denn ein Messer hat, vor dem Hintergrund einer allgemeinen Ausländerfeindlichkeit so handele wie hier“. Die Angaben des Mannes vor der Polizei, daß er zugestochen habe, weil ein Ausländer seine damalige Verlobte „angemacht“ habe, zeuge von nichts anderem als einer ausländerfeindlichen Gesinnung.

In der Urteilsbegründung sprach zwar auch die Vorsitzende Richterin von „verstärkt ausländerfeindlichen Tendenzen in Berlin“, wie beispielsweise an der Wahl der Republikaner zu erkennen sei. Entscheidend für das tragische und unsinnige Geschehen sei jedoch die Persönlichkeit des Angeklagten. Er habe sich als ängstlicher Mensch durch Sahin und dessen türkischen Freund bedroht gefühlt. Auch habe er geglaubt, Sahin habe seine Verlobte belästigen wollen.

Aus dem Bedürfnis seine Männlichkeit zu beweisen und seine Verlobte zu beschützen, fuhr die Vorsitzende Richterin fort, habe der Angeklagte beschlossen, den Türken anzugreifen. Auch gegenüber einem Deutschen hätte der Angeklagte in einer solchen Situation so reagiert. Seine Version, es sei zu der Tat aus Versehen gekommen, weil er gestolpert sei, nahm das Gericht dem Mann nicht ab. Wegen seiner von Ängsten und Minderwertigkeitsgefühlen geprägten Persönlichkeitsstruktur und einer alkoholischen Beeinflussung von etwa 1,8 Pro Fortsetzung auf Seite 2

mille sprach das Gericht dem Arbeiter eine verminderte Schuldfähigkeit zu.

Die Staatsanwaltschaft hatte auf sechs Jahre Haft plädiert. Der Verteidiger bat um eine milde Strafe. Für seinen Mandanten sagte der Anwalt, dieser wisse, daß er unsägliches Leid über die Familie des Opfers gebracht habe, was er durch nichts wieder gutmachen könne. Angesichts der Tat habe der Angeklagte nicht den Mut, selbst zu der Familie zu sprechen. Die Reue des Angeklagten wurde ihm als strafmildernd angerechnet. Strafschärfend wertete das Gericht demgegenüber, daß er die Tat begangen habe, um sich als Held vor seiner damaligen Verlobten aufzuspielen.