: Die fetten Jahre sind vorbei
■ Nur noch knappe absolute Mehrheit für Spaniens Sozialisten bei den Parlamentswahlen
Sie haben es noch einmal geschafft. Aber zum ersten Mal seit ihrem überwältigenden Wahlsieg 1982 mußten Spaniens Sozialisten um die absolute Mehrheit zittern. Daß sie, knapp ein Jahr nach dem Generalstreik gegen die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Regierung, überhaupt noch ein so gutes Ergebnis erzielen konnten, hängt vor allem mit der Klaviatur der Angst zusammen, auf der die Sozialisten meisterhaft zu spielen verstehen. Eine „stabile Regierung“ sei nötig, so ihr Wahlslogan, um den Herausforderungen des Binnenmarktes 1992 begegnen zu können.
Es ist eine franquistische Klaviatur, die in einem Land mit noch junger Demokratie mit der Angst vor dem Chaos spielt. Es ist jedoch auch die Angst vor der Rechten, die sich in Stimmen für die PSOE verwandelt hat: vor der alten, franquistischen Rechten einerseits und vor einer neuen Rechten andererseits, die sich um das Wirtschaftswachstum und die spanische Integration in die EG keine Verdienste erworben und allenfalls als Zaungast fungiert hat. Zwar gibt es in Spanien 18 Prozent Dauerarbeitslose, von denen nur jeder Dritte vom Staat finanzielle Unterstützung bekommt, doch haben breite Schichten in nie gekannter Weise Konsummöglichkeiten erhalten. Dafür ist die Regierung verantwortlich, und das will man nicht aufs Spiel setzen.
Dennoch setzen diese Wahlen ein Signal für die Sozialisten. 800.000 ihrer Wähler sind zur Linkskoalition Izquierda Unida abgewandert und haben der PSOE damit einen Denkzettel verpaßt. Der spektakuläre Aufstieg der Izquierda Unida ist somit nur teilweise eine positive Unterstützung des Programms dieser Koalition und in großem Maß ein Ausdruck von Protest. Daß die PSOE vor den Wahlen ihre parteiinternen Kritiker mundtot und ihre Exponenten nicht auf ihre Listen gesetzt hat, wird sich wohl auch in Zukunft in einen Zustrom zur Izquierda Unida ausdrücken - an einen Linksruck im Kurs der Sozialisten glaubt kaum noch jemand. Links von Felipe Gonzalez ist etwas in Bewegung geraten, was er auf Dauer nicht wird ignorieren können. Die Zeiten der bequemen Mehrheiten und des Mangels an Alternativvorschlägen sind vorbei.
Antje Bauer
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