: Wiederaufarbeitung der Atomskandale
In Kassel wird über eine Klage gegen die Hanauer Alkem verhandelt / Die Ermittlungen zum Transnuklear-Skandal und zum illegalen Nuklearexport der Firma NTG stehen vor dem Abschluß / Die „neue Nukem“ hockt auf uranverstrahltem Schuttberg ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt
Frankfurt (taz) - Mit der Übernahme der Brennelementefabriken Alkem und RBU durch den Siemens -Konzern sollte der skandalträchtige Hanauer Atomfilz aus den Schlagzeilen kommen - so jedenfalls die Hoffnung der neuen Eigner und der Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde in Wiesbaden.
Doch nach dem Prinzip Hoffnung allein lassen sich die „Altlasten“ aus den Zeiten der illegalen und halblegalen Produktionsphasen der Atomfabriken nicht beseitigen: Vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel werden seit gestern drei Klagen gegen den - nach Auffassung der Kläger illegalen Weiterbetrieb der Alkem durch die Firma Siemens verhandelt.
Gleichzeitig steht die Hanauer Staatsanwaltschaft nach Angaben von Oberstaatsanwalt Farwick „vor dem Abschluß“ ihrer Ermittlungen zum Transnuklearskandal und die Nuklearexport-Affäre um die Gelnhausener Firma „Neue Technologien GmbH“ (NTG).
In Hanau selbst liegen bei der „neuen Nukem“ (Eigenwerbung) 30.000 Kubikmeter uranverseuchter Erdaushub und Bauschutt auf Halde. Die Betreiber wissen nicht, wohin damit.
Vor dem VGH in Kassel klagen zwei Bürger und ein Landrat sowohl gegen die vom Hanauer Landgericht schon 1987 als „rechtswidrig“ bezeichneten Vorabgenehmigungen des hessischen Wirtschaftsministeriums zur Produktion von Brennelementen aus Uran- und Plutonium-Mischoxid als auch gegen die ohne neues Genehmigungsverfahren erfolgte Übernahme der Alkem durch den Siemens-Konzern. Nach Auffassung von SPD-Landrat Eyerkaufer (Main-Kinzig-Kreis) ist die Übertragung der Genehmigung auf Siemens „nichtig“.
Wenn schon beim Inhaberwechsel einer Gaststätte eine neue Konzession erforderlich sei, dann müsse die Forderung nach einer neuen Genehmigung für einen Betreiberwechsel bei einer kerntechnischen Anlage um so mehr gelten. Deshalb müsse die frühere Alkem- und heutige Siemens-Brennelementefabrik sofort stillgelegt werden, meinte der Landrat im Vorfeld des Prozesses.
Unterdessen bahnt sich für das Frühjahr 1990 in Hanau ein Mammutprozeß vor dem dortigen Landgericht an. Wie Farwick auf Nachfrage mitteilte, stehen die Ermittlungen im Fässer und Bestechungsskandal Transnuklear sowie im Verfahren gegen die NTG wegen illegaler Nuklearexporte vor dem Abschluß.
Der NTG wird vorgeworfen, eine Tritium-Sammel- und Reinigungsanlage illegal und portionsweise nach Pakistan verschoben zu haben. Insgesamt 24 Beschuldigte aus beiden Firmen haben noch in diesem Jahr mit der Anklage durch die Staatsanwaltschaft zu rechnen. Gegen weitere Personen ermitteln die Finanzbehörden wegen Steuerhinterziehung.
Die „neue Nukem“ sorgt derweil für neue Schlagzeilen. Der Abriß der Nukem I stellt die Betreiber vor unvorhergesehene Probleme: 20.000 Kubikmeter uranverseuchte Erde und 10.000 Kubikmeter uranverseuchter Gebäudeschutt, die eigentlich bei der inzwischen stillgelegten „Gewerkschaft Brunhilde“ in Ellweiler dekontaminiert werden sollten, strahlen in Hanau vor sich hin.
Nach noch unbestätigten Informationen sollen Erde und Bauschutt jetzt im Ausland - im Gespräch sind Schweden und die CSSR - dekontaminiert werden.
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