: Ein schwaches Bild
■ Über das Bild Südostasiens diskutierten Solidaritätsgruppen mit Medien- und Meinungsmachern / Billige und willige Frauen, Exotik und Naturkatastrophen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Medien
Von vielen Lesern hochgelobt, von der Konkurrenz gefürchtet, das war einmal. Die einst ausführliche und bissige Berichterstattung der taz über die Region Südostasien ist zu einem zahnlosen Tiger verkommen, der seine müden Knochen auch nur noch erhebt, um die Meldungen der Presseagenturen zu vermarkten, anstatt sich mit den bestehenden Informationsstellen und Solidaritätsgruppen in Verbindung zu setzen. So lautete die Kritik vieler Teilnehmer der Tagung Das Bild Südostasiens in der BRD, die am Wochende in Bochum stattfand. Daß hierzulande viele Menschen Indonesien mit Tunesien oder Indochina verwechseln, Malaysia entweder für einen Teil von China oder aber eine ungastliche Moslemhochburg halten und Singapur mal in Indien und mal in Indonesien vermutet wird, liegt an unseren Massenmedien, die völlig ungenügend über diese Region informieren. So ist Laos ein weißer Fleck in der Berichterstattung, für die Medien nicht existent. Laut Aung Nwe, Diplomchemiker aus Birma, gibt es gerade fünf Journalisten in der BRD, die über sein Heimatland berichten, darunter (zu unserer Ehrenrettung) Simone Lenz von der taz.
Wenn nicht gerade ein Taifun über die Inseln fegt, Flutkatastrophen die Städte überschwemmen oder ein deutscher Politiker einen Staatsbesuch abhält, muß etwas Exotisches her, damit sich das Fernsehen herabläßt, einen kleinen Teil der Sendezeit dieser Region zu widmen. So waren Tigerjagd auf Sumatra und Kopfjäger auf Kalimantan die einzigen Magazinsendungen, die der WDR in den letzten 20 Monaten über Indonesien ausstrahlte. Zu diesem Ergebniss kam Klaus Mertens, Redakteur beim WDR, in seiner Analyse.
Aber nicht nur die etablierten Medien aus dem Bereich Rundfunk und Presse wurden gewogen und für zu leicht befunden, auch die Alternativpresse mußte herbe Kritik einstecken. Pseudowissenschaftlich und nicht radikal genug sei sie, ideologisches Sprachrohr verschiedenster Bewegungen, von geistiger Inzucht geprägt und nicht in der Lage, aus ihrem subventionierten, leserfreien Raum heraus den apathischen Durchschnittsbürger aufzuwecken und aufzuklären, war die vernichtende Meinung des 'epd' -Mitarbeiters und Vorstandsmitglied des Dritte-Welt -Journalisten-Netzes in der BRD, Klaus Boldt.
Eingeladen war auch der ehemalige Südostasien-Korrespondent der ARD, Eberhard Kuhrau, um über die Hintergründe dieser Misere aufzuklären und sein Schärflein zu der geplanten Perspektiven-Diskussion beizutragen. Einen zentralen Grund sah Kuhrau in der mangelnden Kompetenz der deutschen Korrespondenten. Im Gegensatz zu den britischen Kollegen fehle ihnen jegliche Tradition in der Auslandsberichterstattung, da die BRD nicht auf eine solche koloniale Vergangenheit zurückblicken kann wie Großbritannien. Britische Korrespondenten seien häufig in den Ländern, über die sie berichten, aufgewachsen, beherrschten die Landessprache und hätten auch in ihren Heimatredaktionen eine breitere Unterstützung. Wie ein Korrespondent, der fast einen ganzen Kontinent abzudecken hat und und in den seltensten Fällen eine andere Fremdsprache als Englisch beherrscht, zu seinen Themen kommt und wie er arbeitet, mochte Kuhrau nicht berichten.
Darüber, daß das Bild Südostasiens in den deutschen Medien ein schwaches ist, waren sich auf der Tagung alle einig. Schwieriger wurde es jedoch, die Hintergründe klar zu benennen. Die fehlenden wirtschaftlichen Bindungen, die sonst dafür sorgen, daß über andere Länder berichtet wird, wurden genannt, fehlende Solidaritätsbewegungen, die, wie das Beispiel Philippinen zeigt, häufig in der Lage sind, Themen in die Medien zu pushen und mangelnde Kompetenz einzelner Journalisten. Ein weiterer Grund sind die restriktiven Zensurbestimmungen in den meisten Ländern, die eine ausführliche Berichterstattung behindern oder gar unmöglich machen. Während der gesamten Tagung wurden jedoch Fernsehen, Radio, Zeitungen und Zeitschriften in einen Topf geworfen und die unterschiedlichen Strukturen nicht näher beleuchtet, so daß die Erklärungen für die Misere eher an der Oberfläche blieben. Ohne eine klare Analyse der Funktion und Organisation der verschiedenen Medien drohte die berechtigte Kritik im bekannten Tal des Jammerns und Klagens steckenzubleiben. Angesichts der Arbeitssituation in den einzelnen Redaktionen wird auch die Forderung der verschiedenen Solidaritätsgruppen, enger mit den Medien- und Meinungsmachern zusammenzuarbeiten, ein frommer Wunsch bleiben, war von den anwesenden Journalisten zu erfahren. Nicht der generelle Informationsmangel, sondern die Selektion aus einem Wust von Informationen sei das Problem, zumindest was das Material der Betroffenen- oder Solidaritätsgruppen betrifft. Die angebotenen Hintergrundinformationen seien häufig ideologisch überfrachtet, schlecht formuliert und im täglichen Busineß nur mühsam verwertbar. Die geplagte und gestreßte Journaille verließ dann auch fast einmütig bereits am Samstag abend die Tagung. Die Veranstalter und die an der Region Südostasien interessierten Teilnehmer blieben in der Diskussion über die Perspektiven weitgehend unter sich. Somit bleibt zu befürchten, daß das Bild Südostasiens auch weiterhin von anschmiegsamen und willigen Frauen für deutsche Männer, armen, aber stets lächelnden Menschen und Naturkatastrophen gepägt bleiben wird.
Marina Schmidt
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