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Billiger leben mit neuem Warenkorb

■ Statistisches Bundesamt setzt Bedeutung der Mieten nach oben und die Inflationsrate herunter Herrenschlafanzüge sind out, Karottensaft, Tennisschläger und Walkman sind entschieden in

Berlin (taz/dpa/ap) - Egon Hölder, oberster Statistiker der Republik, rechnet mit Protesten. Die Beamten seiner Behörde, so der Präsident des Statistischen Bundesamt in Wiesbaden, warten schon auf den Kritiker-Vorwurf der Manipulation. Denn mit der Aktualisierung des Warenkorbes, der zur Errechnung der Inflationsrate benutzt wird, dürfte der „Preisindex für die Lebenshaltung der privaten Haushalte“, wie er offiziell heißt, publikumswirksam von rund 3,1 auf 2,8 Prozent sinken. Die Arbeitgeber dürfen sich freuen: Die Inflationsrate ist eine der wichtigsten Eckdaten bei den Tarifverhandlungen des kommenden Frühjahrs.

Der alte Warenkorb aus rund 750 einzelnen Gütern und Dienstleistungen datiert aus dem Jahr 1980. Geändert wurde er jetzt nach repräsentativen Verbrauchsumfragen aus dem Jahr 1985. Um künftig noch aktueller zu sein, ist die nächste Aktualisierung des Warenkorbes schon für das Jahr 1992 geplant. Nicht mehr im statistischen Einkaufskorb enthalten sind solche Positionen wie Herrenschlafanzüge, Haarwasser, Schwarzweißfernseher und Filmprojektoren. Neu dabei Tennisschläger und bleifreies Benzin, Diätmargarine und Karottensaft, Fertigpudding und elektrische Orgeln sowie die Leihgebühr für Videofilme. Als Ersatz für den alten Kassettenrecorder haben die Preisfahnder den Walkman aufgenommen, der Skateroller wurde vom Expander abgelöst und die Kollegmappe vom Aktenkoffer. Kakao und Rotkohl schieden ebenso aus wie die gute alte Heizölkanne.

Nicht nur die Waren wurden geändert, sondern auch ihre Gewichtung. Die Bedeutung der Mieten setzen die Wiesbadener Statistiker von 14,8 auf 17,8 Prozent herauf. Der häufigen Kritik, dieser Ansatz sei immer noch zu niedrig, begegnen die Fachleute mit dem Argument, daß zahlreiche Familien immer noch in günstigen Sozialwohnungen leben. Die Ausgaben für Lebensmittel sanken von 24,9 auf 23,0 Prozent. Bekleidung und Schuhe fielen von 8,2 auf 7, Möbel und Haushaltsgeräte von 9,4 auf 7,2 Prozent. Verkehr und Kommunikation blieben mit 14,4 Prozent fast unverändert.

Die gesunkene Inflationsrate sei Resultat des Ausweichens der Verbraucher auf billigere oder im Preis langsamer anziehende Erzeugnisse, erklären die Statistiker. Auch seien Preisrückgänge etwa bei Videogeräten anfangs größer als bei lange eingeführten Konsumartikeln. Der durchschnittliche Haushalt, fanden die Beamten außerdem heraus, umfaßt jetzt 2,3 Köpfe und verbrauchte 1985 runde 3.105 Mark pro Monat.

diba

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