: Den Projekten geht es weiter schlecht
■ Bildungs- und Beschäftigungsinitiativen sind vom Senator für Arbeit, Horst Wagner, enttäuscht / Projektteilnehmer werden am Berliner Arbeitsmarkt vorbei qualifiziert
Horst Wagner, Senator für Arbeit, ließ die Projektleute gestern enttäuscht zurück. Den mehr als 100 MitarbeiterInnen aus Bildungs- und Beschäftigungsinitiativen, die auf Einladung von SPD und Alternativer Liste zu einer Anhörung ins Rathaus Schöneberg gekommen waren, antwortete er auf ihre konkreten Forderungen nach mehr finanzieller und personeller Absicherung ausweichend.
Das Thema Projekte und Projektförderung ist alt, die Probleme weitgehend bekannt. Neu war das gestrige Thema. Unter Rot-Grün stellt sich nicht nur wie bislang die Frage, welche Rolle die Projekte bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit haben könnten, sie sind jetzt auch noch für den ökologischen Stadtumbau zuständig. Der Unmut, den Hartmut Brocke, Mitarbeiter des Sozialpädagogischen Instituts (SPI) äußerte, brachte es auf den Punkt. Offenbar müßten sich inzwischen die Projekte mit dem Bau von Solaranlagen „adeln“, um den neuen Zielvorgaben zu entsprechen. Er sprach sich gegen klare Planungen und für „Vielfalt“ aus. Nur dadurch sei es möglich, die Zielgruppen, die die Projekte ansprächen, dort „abholen“ zu können, wo sie stünden. Seine Kritik ging aber auch an die Gruppen selbst, die die offenbar gewünschten Vorstellungen schon antizipierten und in ihren Selbstdarstellungen vorwegnähmen. Das entspreche nicht den realen Bedürfnisse, meinte Brocke.
Die Arbeitsgruppe „Berliner Projektberater“ übergab Senator Wagner eine Forderungsliste. Sie verlangten, die Laufzeiten der Qualifizierungs- und Beschäftigungsmaßnahmen von bislang drei auf dann fünf Jahre zu erhöhen. Ihnen sollten konkrete Planungsdaten über die Entwicklung des Arbeitsmarktes und der Qualifikationsanforderungen zur Verfügung gestellt werden. Bei der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, den Kammern und Gewerkschaften wollen sie politische Unterstützung. Und last not least wollen sie mehr Geld, um besser ausbilden zu können.
Die Forderung seitens des Senats, die Projekte sollen für den sogenannten „1. Arbeitsmarkt“ ausbilden, entspricht durchaus dem Wunsch der Projekte selbst. Sie sind es leid, Jugendliche zu qualifizieren, die dann arbeitslos werden oder eine „Maßnahmenkarriere“ beginnen. Am Beispiel einer jungen Frau, die zwei Jahre lang in einem Projekt der TU gelernt hat, einen Sonnenkollektor zu bauen und auch zu berechnen, berichtete die Mitarbeiterin von den Problemen. Diese junge Frau habe nur die Möglichkeit, in einer regulären Ausbildung „bei null“ anzufangen, was nicht ihrer Qualifikation entspreche. Einen Arbeitsplatz aber könne sie nicht finden. Hier müßten zum Beispiel „Quereinstiege“ in die Ausbildung möglich sein. Man müsse über die „heilige Kuh“ Berufsbildungsgesetz nachdenken.
Senator Wagner will die Probleme auf seine Weise lösen. Daß die Projekte ihr Angebot von derzeit 1.800 auf 3.000 Plätze erhöhen wollen, begrüßte er. Eine Erhöhung der Mittel müsse allerdings noch „geprüft“ werden. Der Forderung nach einer längeren Laufzeit könne er nur dann zustimmen, wenn ein berufsqualifizierender Abschluß das Ziel der Maßnahme sei. Die Projekte hätten inzwischen einen festen Platz auf dem Arbeitsmarkt. 1.868 Menschen finden derzeit dort Arbeit, 210 davon sind Ausbilder und Betreuer. Wagner versprach, die Anregungen der Projekte in die Sonderkommission „Arbeitsplätze für Berlin“, die sich unter Federführung des Regierenden Bürgermeisters am 9. November konstituieren wird, einzubringen.
bf
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