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Eine „Zeltstadt“ gegen die Wohnungsnot

Tübinger Studierende besetzten eine Woche lang den Alten Botanischen Garten / Die expandierende Universität konkurriert mit ihren StudentInnen um das Dach über dem Kopf / Tausende DemonstrantInnen fordern Dauerlösungen statt Notprogramme  ■  Von Erwin Single

Tübingen(taz) - Mit einer demonstrativen Aktion wollten Tübingens Studierende „die unsägliche Wohnungsnot ins rechte öffentliche Licht rücken“. Im Alten Botanischen Garten der Universitätsstadt errichteten sie bei Nacht und Nebel eine „Zeltstadt“ und hielten das Terrain gut eine Woche lang besetzt. Am Dienstag abend demonstrierten Tausende gegen die katastrophale Tübinger Wohnraumsituation.

Wie schlimm die Wohnungsnot tatsächlich ist, zeigen die Zahlen, die vom sogenannten Zeltstadtforum vorgelegt wurden: danach suchen mehr als 1.000 StudienanfängerInnen noch eine Bleibe. Über 7.000 StudentInnen seien gezwungen, unter üblen Bedingungen zu hausen. Hinzu kommen mehr als 3.000 PendlerInnen, die täglich über 50 Kilometer zur Uni und zurück fahren. Doch nicht nur Studierende sind von dem Problem betroffen. Zusätzlich haben sich in der Universitätsstadt über 1.300 „Wohnungsnotfälle“ angestaut. Eine Studentin sieht darin „die Quittung für den Rückzug aus dem sozialen Wohnungsbau“. Gemeinsam mit anderen sozial benachteiligten Gruppen wollen die StudentInnen auch in Zukunft gegen die verfehlte Wohnungsbau- und Sozialpolitik angehen.

Für die Wohnungsmisere machen die Studierenden Stadt, Hochschule und das Studentenwerk verantwortlich. Ihr Vorwurf an die Adresse der Kommune: mit „zwanglosen Vermietappellen an Wohnungseigentümer“ seien die Probleme nicht zu lösen. Auch die Universität unternehme nichts, sondern versuche im Gegenteil, zusätzlichen Wohnraum für den expandierenden Hochschulbereich anzumieten. Auf diese Weise seien bereits 9.000 Quadratmeter zweckentfremdet worden. Jüngstes Beispiel: die Leibnitzhäuser auf dem Österberg. Dort leben rund 60 Studierende in einem selbstverwalteten Wohnprojekt. Nun scheint der Verkauf der Häuser durch das nicht gerade finanzkräftige Leibnitz-Kolleg an die Universität beschlossene Sache. Die Hochschule will dort ihr neues Südostasienkolleg unterbringen. Was mit den BewohnerInnen geschieht, bleibt offen. Zwei von ihnen forderten bei der Abschlußkundgebung in der „Zeltstadt“ die „langfristige Sicherung“ ihres Wohnprojekts.

Auch die Studentenwerksanstalt reiht sich in die verhängnisvolle Wohnungspolitik ein. Mit den im Januar nach den bundesweiten Studentenprotesten vom Land freigebenen Geldern werden auf einem Gelände hinter den ehemals besetzten Häusern Ludwig/Eugenstraße 72 „Wohneinheiten“ errichtet. Auf alternative Baupläne der AnwohnerInnen reagierte die Anstalt nicht. Noch mitten in die Verhandlungen platzten die Bagger. Unter massivem Polizeieinsatz wurde ein Bauzaun errichtet und mit den Arbeiten begonnen. Die Polizei ist seither zur Sicherung des Geländes geblieben. Ein regelrechter „Belagerungszustand“, empören sich die AnwohnerInnen der „Lu14“.

Vergangene Woche veranstalteten die Studierenden in ihrer „Zeltstadt“ eine Podiumsdiskussion. OB Eugen Schmid und Universitätspräsident Adolf Theis schlugen die Einladungen aus. Die anwesenden Parteienvertreter allerdings sicherten den Studierenden zumindest verbal ihre Unterstützung zu. Letztere haben schon ein Objekt ausgemacht: im leerstehenden alten Versorgungskrankenhaus auf dem Sand, bisher noch Reservelazarett der Bundeswehr könnten über 400 Wohnungen geschaffen werden. Ein Sprecher auf der Abschlußkundgebung: „Es wird Winter und unsere Geduld ist zu Ende.“

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