piwik no script img

„Finanzielle Konvertibilität nutzt nichts“

■ Petra Pissulla, Ostwirtschaftsexpertin am Hamburger HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung, zur Frage der Konvertibilität der Ost-Mark und der Notwendigkeit einer Liberalisierung des DDR-Außenhandels

I N T E R V I E W taz: Im Zusammenhang mit den anstehenden Reformen in der DDR ist ja immer wieder davon die Rede, inwieweit die DDR-Mark in die freie Konvertibilität überführt werden könnte. Warum ist die Ost-Mark noch nicht konvertibel?

Petra Pissulla:Konvertibilität heißt ja die freie Umtauschbarkeit einer Währung in jede beliebige andere Währung, also ihre Handelbarkeit auf den internationalen Devisenmärkten. Das ließ sich deshalb bisher nicht verwirklichen, weil die DDR und auch die osteuropäischen Länder die Warenkonvertibilität nicht realisieren konnten. Finanzielle Konvertibilität nutzt ja nichts, wenn die Warenkonvertibilität nicht gegeben ist. Die Besitzer einer konvertiblen Währung müssen ja in der Lage sein, in dem betreffenden Land auch Ware einzukaufen. Das ist aber nicht garantiert, die östliche Angebotssituation ist ja relativ schlecht.

Aber was würde denn passieren, wenn jetzt nur die finanzielle Konvertibilität eingeführt würde, ohne daß der Warenaustausch entsprechend liberalisiert würde?

Das würde praktisch nichts nützen. Nehmen wir doch einmal an, Sie haben einen multilateralen Saldenausgleich im Außenhandel mehrerer Länder und nicht nur ein bilaterales Clearing, wie das in Osteuropa bisher der Fall war. Dann würde beispielsweise ein westliches Land, das bei seinem Verkauf in die Sowjetunion Rubel erhält, mit diesem Rubel weder in der DDR noch in Frankreich oder sonstwo einkaufen können. Es gibt ja keinen entsprechenden Importeur in Frankreich, der für seine Ware Bezahlung in Rubel akzeptieren würde. Dafür ist das Angebot in der Sowjetunion zu schlecht.

Das heißt doch aber nur, daß eine in die Konvertibilität überführte DDR-Mark von den potentiellen Händlern nicht gekauft würde, weil niemand etwas damit anfangen kann. Die DDR könnte doch den Umtausch trotzdem frei erlauben und dann sehen, was passiert. Andererseits gibt es doch bereits eine Nachfrage nach OstMark, sonst gäbe es ja keinen Schwarzmarkt.

Sie müßten erstmal einen Devisenmarkt einrichten. Man muß unterscheiden zwischen der internen und der externen Konvertibilität. Für mich wäre es entscheidend, mit der inneren Konvertibilität anzufangen. Das würde bedeuten, daß in der DDR sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen auf einem Devisenmarkt zu frei zu vereinbarenden Wechselkursen der freie Umtausch in andere Währungen möglich wäre. Das wäre natürlich noch nicht die externe Konvertibilität, denn die soll auch Ausländern den Tausch von DDR-Mark sowohl in der DDR als auch in ihrer Heimat ermöglichen. Externe Konvertibilität muß unmittelbar verbunden sein mit einem liberalisierten Außenhandel.

Aber den Außenhandel könnte man ja dennoch restriktiv handhaben, die marode Wirtschaft vor den rauhen Winden des Weltmarktes schützen - auch bei freiem Geldumtausch.

Ja, dann hätten wir ja keine Konvertibilität...

... Keine Warenkonvertibilität.

Ja, aber wozu soll die rein finanzielle Konvertibilität gut sein?

Die Leute wollen ja jetzt auch schon tauschen, so z.B. für Westreisen, was ja demnächst noch viel aktueller werden könnte. Auch gibt es Leute, die ihre West-Mark zum günstigen Schwarzmarktkurs in Ost-Mark umtauschen wollen, weil sie sich vielleicht billig Schallplatten oder Bücher kaufen wollen. Ein - wenn auch begrenzter - Markt ist ja da.

Das meine ich mit interner Währungskonvertibilität, und das halte ich auch für vernünftig: daß die DDR-Bürger sich für ihre Westreisen nach Angebot und Nachfrage in Wechselstuben mit West-Mark eindecken können, so wie es läuft. Auch die Unternehmen könnten dann auf Börsen angebotene DM- oder Dollarbeträge gegen ihre einheimische Währung kaufen, wie es ja heute schon in Polen, Ungarn und demnächst auch in der Sowjetunion der Fall ist, um damit frei zu importieren.

Könnte denn die freie Umtauschbarkeit die Reisewilligen, zu welchem schlechten Kurs auch immer, zu dem nötigen Westgeld verhelfen - mal abgesehen von der möglichen Entwertung der Ost-Mark, die eine solche Maßnahme mit sich bringen könnte?

Wenn die DDR es tatsächlich ernst meint mit den Reisemöglichkeiten für ihre Bürger, dann müßte sie sie natürlich auch mit entsprechenden Zahlungsmitteln ausstatten. Wenn vermehrt von hier aus Geld in die DDR geschickt wird, mit dem dann etwa Verwandte auf den Schwarzmarkt gehen, und eventuell immer mehr Ost-Mark dafür erhalten, wenn sie damit dann immer höhere Preise bezahlen können, wäre ein inflationärer Effekt nicht auszuschließen. Wenn aber über offizielle Wechselstuben getauscht werden kann, dann wird ja im Gegenzug Kaufkraft abgeschöpft.

Wenn die eingegangenen Zloty dann gleich wieder ausgegeben werden, dann wird natürlich nichts abgeschöpft. Nimmt aber die Zentralbank diese Chance wahr und verringert dadurch den Geldumlauf, dann könnte der Kaufkraftüberhang abgebaut werden.

Interview: Ulli Kulke

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen