: MOTOR AN, HIRN AUS
Das Auto als Lustobjekt und Mordwerkzeug ■ I N T E R V I E W
Volker Krumm, Professor für Psychologie an der Salzburger Universität, veröffentlichte einen Aufsatz mit dem Titel: Wege aus der Sucht: Wie aus dem Autofahrer in der Stadt ein anständiger Mensch werden kann. Sein Entwöhnungskonzept: Das Auto so unattraktiv wie möglich machen. Abbau der Parkmöglichkeiten in der Innenstadt, Fahrtenschreiber auch in PKWs, Verkehrsvergehen strafrechtlich verfolgen und für das Fahren in der Stadt Mautgebühren einführen, deren Höhe von der Insassenzahl abhängig ist.
taz: Sie sprechen von Autofahren als Sucht. Wieso?
Volker Krumm: Sucht wird in der Psychologie definiert als ein „zwanghafter Drang, durch bestimmte Reize Lustgefühle herbeizuführen“. Dieser zwanghafte Drang muß über längere Zeit bestehen und ist schwer oder überhaupt nicht zu kontrollieren.
Wenn Sie diese Definition auf den Autofahrer anwenden, paßt alles: Mit dem Reiz „Autofahren in der Stadt“ fügt sich der Autofahrer Lustgefühle zu, und kontrollierbar ist dieser zwanghafte Drang auch nicht: Ein Autofahrer kann sich oft nicht vorstellen, sich anders fortzubewegen. Und man kann ihn ebensowenig von seinem Lustobjekt entwöhnen wie den Raucher von seinem Glimmstengel oder den Fixer von seiner Spritze.
Warum ist es so schwer, das Auto stehenzulassen?
Ich glaube, das liegt zum großen Teil am „Einstiegsverhalten“, denn kein anderes Verkehrsmittel macht uns den Anfang so leicht. Beim Autofahren müssen Sie schlimmstenfalls Ihre Garagentür noch mit der Hand aufmachen, und dann geht alles auf Knopfdurck - bis hin zur Musik, die mit dem Drehen des Schlüssels startet. In seinem Sessel - von besonderen Genießern vorgeheizt - wird der zufriedene Fahrer vor Wetter und Wind geschützt. Scheinbar kostet's auch nichts - es ist ja alles schon bezahlt. Dieser unmittelbare Lustgewinn am Anfang schaltet das Hirn aus.
Verleugnen Autofahrer ihre Sucht?
Ganz gewiß. Kollegen haben auf meine These vom „Autofahren als Sucht“ schon ausgesprochen beleidigt reagiert. Da zeigt sich, daß wir uns als Benutzer des Autos viel zu wenig vor Augen führen, was wir damit anstellen. Jedes jahr gibt es in der Bundesrepublik fast eine halbe Million Unfallverletzter, achttausend Tote - das nehmen wir hin als wäre daran nichts zu ändern.
Stellen Sie sich einmal vor, eine Terroristengruppe würde in Deutschland jährlich 8.000 Opfer produzieren - was wir für einen Aufstand machen würden. Wenn die Autofahrer mithelfen, daß sowas passiert - natürlich nicht mit Absicht
-dann interessiert das keinen. Wir wollen autofahren. Sonst nichts.
Interview: Felix Berth
Wir empfehlen: Deutschlands erste „Suchtberatungsstelle Auto“, Cheruskerstraße 10 in Schöneberg.
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